Seekorridor kann dauerhaften Waffenstillstand nicht ersetzen

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW begrüßt den geplanten Seekorridor für die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen, an der sich auch die Bundesregierung beteiligen will. „Hilfslieferungen per Luft und See können einen dauerhaften Waffenstillstand aber nicht ersetzen", erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.

Von der Bundesregierung fordert die Ärzt*innenorganisation den Einsatz für eine dauerhafte Waffenruhe sowie die Wiederaufnahme der Zahlungen an das palästinensische Hilfswerk UNRWA. Die Bundesregierung müsse ihre Waffenlieferungen nach Israel einstellen und gemeinsam mit der EU und vor allem den USA Druck auf die israelische Regierung ausüben. Angesichts der Menschenrechtsverletzungen des israelischen Militärs solle Deutschland die EU-Länder unterstützen, die fordern das Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen, das beide Partner auf die Achtung der Menschenrechte verpflichtet.

Schätzungen der UN zufolge sind im Gazastreifen mittlerweile mehr als eine halbe Million Menschen vom Hungertod bedroht. Pro Tag müssten laut UN-Angaben 500 Lastwagenladungen mit Hilfsgütern die Bevölkerung erreichen, um eine ausreichende Notversorgung zu gewährleisten. In den vergangenen Tagen seien etwas mehr als 100, im Februar im Schnitt nur rund 83 Hilfsgütertransporte pro Tag nach Gaza gekommen.

Jamie McGoldrick, UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in den besetzten palästinensischen Gebieten, hatte letzte Woche nach einem zweitägigen Besuch im Gazastreifen erklärt, der Hunger habe katastrophale Ausmaße angenommen. Medienberichten zufolge verhungern zur Zeit vor allem Kinder und Babys. In den Krankenhäusern fehlt es an allen Mitteln, sie zu behandeln. Abwürfe von Nahrungsmitteln aus der Luft reichen bei Weitem nicht aus und bedeuten unter Umständen sogar eine Gefährdung der Bevölkerung. Es müssten dringend humanitäre Korridore  für die Hilfslieferungen geschaffen werden, der Straßentransport sei nach wie vor der effektivste Weg, um die dringend benötigte Menge an Hilfsgütern zu den Bedürftigen zu bringen, so McGoldrick.

Südafrika hat den Internationalen Gerichtshof (IGH) in einem dritten Eilantrag aufgefordert, Israel zu verpflichten, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. In dem Antrag erklärt das Land, es sehe sich angesichts der neuen Fakten in Gaza - insbesondere der weitverbreiteten Hungersnot - gezwungen, eine weitere vorläufige Anordnung zu beantragen. Israel ist als Besatzungsmacht völkerrechtlich verantwortlich für die Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Am 26. Januar 2024 hatte der IGH vorläufige Anordnungen gegen Israel getroffen, weil es die Gefahr von Verstößen gegen die Völkermordkonvention von 1948 sah.

In einem weiteren Eilverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wirft der Staat Nicaragua der Bundesregierung Beihilfe zu israelischen Kriegsverbrechen sowie einem möglichen israelischen Völkermord an den Palästinenser*innen im Gazastreifen vor.

Die Bundesregierung darf Antisemitismus und Kritik an der überwiegend rechtsradikalen israelischen Regierung nicht länger gleichsetzen. Aus historischer Verantwortung lässt sich nicht unkritische Gefolgschaft gegenüber einer völkerrechtswidrigen Politik Israels ableiten. Im Gegenteil: Solidarische Politik mit Israel muss ein konsequentes Eintreten für internationales Recht und einen gerechten Interessenausgleich zwischen den beteiligten Volksgruppen bedeuten", heißt es in einer aktuellen Erklärung des Vorstandes der IPPNW.

Die Erklärung des Vorstandes der IPPNW vom 12. März 2024

Pressemitteilung 12.3.2024