*ONLINE* Die Finanzialisierung des deutschen Wohnungsmarktes

erstellt von Humangeographie Frankfurt — zuletzt geändert 2020-06-06T22:16:17+02:00
Livestream mit Philipp P. Metzger
  • Wann 24.06.2020 von 14:00 bis 16:00 (Europe/Berlin / UTC200)
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In den medialen- und zivilgesellschaftlichen Debatten haben wir die Rolle von Wohnimmobilien-Aktiengesellschaften kontrovers diskutiert, die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ ist ein Ausdruck davon.

Der börsennotierte Wohnimmobilienkonzern Vonovia ist mittlerweile Deutschlands größter Vermieter und die Deutsche Wohnen der größte in Berlin. Dabei können die börsennotierten Unternehmen nicht auf eine lange Geschichte zurückblicken. Noch vor ca.10 Jahren spielte das Segment faktisch keine Rolle.

Wer den Aufstieg der Wohnimmobilien-AGs analysieren will, darf von der Finanzialisierung des Immobilienmarktes in den letzten Jahrzehnten nicht schweigen. Allerdings hat sich die Finanzialisierung in Deutschland anders ausgeformt als in den klassisch finanzialisierten Ländern wie den USA oder Großbritannien.

Wenn man z.B. eine Finanzialisierung nach dem exakten Muster der USA sucht, etwa exorbitante Verschuldung der Privathaushalte, wird man in Deutschland nicht fündig. Die Privathaushalte in Deutschland sind im internationalen Vergleich nicht hochverschuldet. Auch vollzog sich in Deutschland nicht die Transformation von einer Mietnation zu einer Eigentumsnation wie in Großbritannien.

Ein wesentlicher Grund liegt in der wohnpolitischen Regulation der deutschen Nachkriegszeit. Im Zuge des Fordismus entwickelte sich in Deutschland der soziale Wohnungsbau mit dem Resultat, dass Mieten zur hauptsächlichen Wohnform wurde. In den letzten Jahrzehnten wurden der soziale Wohnungsbau privatisiert und die Finanzmärkte liberalisiert.

Anders als in den USA führte die Finanzialisierung nicht zu einer steigenden Zahl von Eigenheimen, was auch in einer unterschiedlichen Regulation des Kreditmarktes begründet ist. Stattdessen begann der Aufstieg von finanzialisierten Akteuren, die ehemals öffentliche Wohnungsgesellschaften kauften. Beim Kauf von staatlichen Wohnungsgesellschaften seitens der finanzialisierten Akteure spielte auch die innere Landnahme des ostdeutschen Wohnungsbestandes eine wichtige Rolle. In einer ersten Phase erwarben Private-Equity-Fonds die Mietwohnungen.

Diese Entwicklung lässt sich z.B. an der Geschichte der Deutsche Wohnen nachvollziehen. In einem ersten Schritt handelte es sich bei der Deutsche Wohnen um einen Private-Equity-Fond der Deutschen Bank AG. Im zweiten Schritt entwickelte sich die Deutsche Wohnen zu einem eigenständigen börsennotierten Unternehmen.

Für die Mieter und Beschäftigten bedeuteten die finanzialisierten Profitstrategien eine Verschlechterung ihrer Lebens- und Arbeitswelt. Die Qualität der Wohnungen sanken, die Mietpreise stiegen. Parallel erreichten die Profitraten der börsennotierten Wohnimmobilienkonzerne neue Höhen, diese wurden noch erhöht durch die Tarifflucht jener Konzerne.

Der Neubau von Mietwohnungen spielt für finanzialisierte Profitstrategien faktisch keine Rolle. Deshalb ist es befremdlich, wenn von neoklassischen Ökonomen die Position vertreten wird, dass der freie Markt die Wohnungsnot schon beseitigen werde, wenn nur die Regulierungen stärker abgebaut werden würden. Im Gegenteil, wirft doch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte eher die Frage auf, ob das Privateigentum überhaupt in der Lage ist, die sozialen Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen.

In dem Vortrag wird die Finanzialisierung des deutschen Wohnungsmarktes dargestellt und kritisch analysiert, unter besonderer Beachtung von Vonovia und Deutsche Wohnen.

Link zur Veranstaltung: www.youtube.com/watch?v=FCK69wdrArU

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