Konferenz: Unions for Future

erstellt von FAU Frankfurt — zuletzt geändert 2020-02-07T17:29:25+01:00
Klima, Digitalisierung, Gewerkschaften und Arbeitskampf 4.0. Konferenz am 28. und 29. Februar zu Systemwandel und Gewerkschaft.
  • Wann 29.02.2020 von 09:30 bis 17:45 (Europe/Berlin / UTC100)
  • Wo Studierendenhaus, Campus Bockenheim, Mertonstr. 26
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Wir leben in einem Zeitalter gigantischer Umwälzungen und Angriffe auf unser Leben. Täglich und nahezu ungebremst schreitet die Zerstörung unserer zentralen Lebensgrundlage - der Umwelt – fort. Während Hunderttausende auf Grund des Klimawandels zur Flucht genötigt werden, erleben wir parallel eine durch Digitalisierung und Technologiekonzerne getriebene Ökonomisierung aller Lebensbereiche.

Allumfassende Überwachungsmöglichkeiten, Roboterisierung der Arbeit und der Pflege, Disziplinierung durch Scoringsysteme, Firmen, die gebucht werden können, um Wahlergebnisse zu beeinflussen und das Phänomen der Parallelwelten in den sozialen Medien, über die Menschen Informationen lediglich aus ihrer Filterblase beziehen, anstatt auf der Grundlage gemeinsamer Informationen handeln zu können, sind nur einige Aspekte der mit der Digitalisierung einhergehenden Entwicklung.

Seit gut einem Jahr ist die Bewegung Fridays for Future in aller Munde. Außer der Verabschiedung eines unzureichenden Klimapaketes in Deutschland und den durch ihre mediale Präsenz in vielen Kreisen der Gesellschaft angefachte Klima-Diskussionen, konnte sie bislang nach eigenen Aussagen allerdings wenig erreichen. Der geforderte und notwendige Systemwandel lässt leider auf sich warten. Ein Grund ist vermutlich im hauptsächlich an die Politik gerichteten Appell-Charakter der Fridays for Future-Forderungen zu suchen.

Unabdingbar scheint die Beantwortung der Frage, wie wir in einem Prozess der Selbstermächtigung unsere Interessen für eine ressourcensparende und klimaerhaltende Produktion durchsetzen können.

Lässt sich der technische Fortschritt der Digitalisierung gar für diese Ziele positiv nutzen oder befeuert er vielmehr das sich immer schneller drehende Hamsterrad der Globalisierung? Welche Rolle sollen, ja müssen Gewerkschaften bei den gewaltigen, anstehenden Umwälzungsprozessen spielen? Gibt es überhaupt eine Zukunft der Gewerkschaften angesichts von Prognosen, die davon ausgehen, dass sich das Proletariat in rund 20 Jahren weitestgehend selber abgeschafft haben wird?

Auf der Konferenz wollen wir gemeinsam mit Gewerkschafter*innen, Lohnabhängigen und Interessierten der Frage nachgehen, ob Gewerkschaften ein geeignetes Instrument sein können, eine kollektiv bestimmte, ökologische Produktion voranzutreiben, ohne dabei den Erhalt von Arbeitsplätzen als Selbstzweck über alles andere zu stellen.

Die Frage, wie eine Vergesellschaftung des technischen Fortschrittes aussehen kann, scheint insbesondere in diesem Zusammenhang zentral, sofern wir den Gewinn am technischen Fortschritt nicht wieder wenigen Privateigner*innen überlassen wollen, während die Masse die negativen Folgen desselben sogenannten Fortschrittes zu tragen hat.

Getreu dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ werden wir entlang ausgewählter Branchen gewerkschaftliche Handlungsoptionen zu den Themen Klima, Digitalisierung und Gewerkschaft entwickeln. Als Ausdruck der Selbstermächtigung liegen uns hierbei solidarische Arbeitskämpfe von morgen am Herzen. Diese müssen aus unserer Sicht weit über aktuelle Tageskämpfe um mehr Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen hinausgehen. Arbeitskampf 4.0 muss in ein antikapitalistisches Programm des Systemwandels eingebettet werden, ohne den es kein kollektives, unsere Lebensgrundlagen erhaltendes Wirtschaften geben kann.

Wir rufen alle Lohnabhängigen und Gewerkschafter*innen, für die Gewerkschaft mehr als nur ein Instrument für die kurzfristige Verbesserung der eigenen Arbeitsbedingungen ist auf, gemeinsam mit uns die Rolle von Gewerkschaft neu zu definieren. Gesucht sind Gewerkschaften, die sich der aktuell drängenden Fragen nach unserer Welt von morgen annehmen und mutig für die notwendigen Änderungen kämpfen, selbst wenn dafür der Abschied von bisherigen Eigentumsverhältnissen und Privilegien notwendig wird.

Anmeldung notwendig unter fauffm-kontakt@fau.org

Programm

Samstag, 29. Februar 2020

09:30 - 12:00 Uhr: Arbeitsgruppen
AG I - Klima & Gewerkschaft
Mit Anna Müller und Jan Westphalen – FAU Frankfurt

Durch den momentan immer steigenden Konsum werden zunehmend viele Ressourcen gebraucht. Gleichzeitig werden diese aber knapper, wie z.B. Erdöl oder seltene Erden. Die Möglichkeiten der Produktion sind also begrenzt; die Produktion von Gütern wird nicht nur umgestellt werden müssen, sie muss auch reduziert werden. Es wird zukünftig also auch weniger Arbeit nötig sein (zumindest in der klassischen Industrie). Unter der Schlagwort „Postwachstum“ befassen sich verschiedene Konzepte mit einer Wirtschaftsform, die ohne Wachstum funktioniert. Statt immer mehr zu produzieren, soll der Fokus z.B. auf Arbeitszeitreduzierung oder der Herstellung von Gütern liegen, die möglichst lange halten und einfach zu reparieren sind. Ziel ist eine nachhaltigere Produktion und damit auch ein Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit. Wir wollen uns anschauen, welche Möglichkeiten Gewerkschaften haben, diesen Prozess des Systemwandels (mit) zu gestalten. Hierbei wollen wir nicht nur auf die Umstellung zu einer ökologischen Produktion blicken, sondern auch auf Möglichkeiten der Wirtschaftsdemokratisierung als Teil einer grundsätzlichen Gesellschaftsveränderung.

AG II - Pflegenotstand & Systemwechsel
Mit Robin Mohan (Soziologe)

Neben dem Klimawandel und der Digitalisierung gilt heute der „Pflegenotstand“ als zentrales Zukunftsproblem eigener Art. Inwiefern handelt es sich um ein strukturelles Problem des (gegenwärtigen) Kapitalismus? Warum ist Digitalisierung in diesem Bereich nur in sehr beschränktem Maße wünschenswert? Welche Kämpfe haben die Pflegebeschäftigten geführt und wie können sie weitergeführt und mit anderen Kämpfen verbunden werden?

AG III  - Zukunft der Automobilbranche
Mit einem ehemaligen Betriebsrat des Automobilzulieferers >Freudenberg<

Die AG wird sich mit den durch den neuen E-Auto Hype getriebenen Veränderungen in der Automobilbranche unter anderem an Hand eines konkreten Beispiels - den Elektro-Batterien - befassen. Ein Fokus liegt hierbei auf der politischen Einordnung der aktuellen Veränderungen.

12:00 - 13:00 Uhr: Mittagspause

13:00 - 15:30 Uhr: Arbeitsgruppen

AG IV - Sturm auf die Maschine oder totale Unterwerfung?
Mit Dörthe Stein - FAU Frankfurt (Internetspezialistin und Projektmanagerin in der ITK-Branche)

Die AG wird sich zunächst mit der Verortung der alle Lebensbereiche durchdringenden Digitalisierung befassen. Hierzu werden einige ausgewählte Perspektiven in den Blick genommen.

  • Roboterisierung der Arbeit
    Über Chancen, Risiken und soziale Folgen der aktuellen Automatisierungstrends in Industrie und Zivilgesellschaft.
  • Digitale Macht
    Von den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Überwachung und ihrer disziplinierende Wirkung
  • Maschinensturm 4.0 oder totale Unterwerfung
    (Wie) kann die Vergesellschaftung digitaler Infrastruktur als Baustein zur Gestaltung einer ökologischen und sozialen Wirtschaft dienen oder müssen einige technologische Entwicklungen als Instrumente der Unterwerfung entschieden bekämpft werden?

Im zweiten Teil der AG sollen die zuvor herausgearbeiteten Aussagen und Thesen in Bezug zu sich ergebenen gewerkschaftlichen Handlungsfeldern gesetzt werden.

  • Gewerkschaft von morgen
  • Gewerkschaft, Ökologie und ITK Branche > zentrale Herausforderungen
  • Handlungsfelder für die nahe und die antikapitalistische Zukunft
  • Konkrete Aktionsansätze und mögliche Akteure*innen

AG V - Digitalisierung in der Textilbranche und Möglichkeiten von Widerständigkeit
Mit Ernest Mirant, tie global

Digitalisierung bedeutet nicht nur einen technischen Wandel oder den Verlust von Arbeitsplätzen, sondern eine grundsätzliche Veränderung von Tätigkeiten, betrieblichen Kontrollformen, sowie des Selbstverständnisses von Beschäftigten. Seit zwei Jahren erarbeiten wir uns zusammen mit Beschäftigten der Modebranche ein Verständnis der Veränderungen. Wie müssen zukünftige Kämpfe um gute Lebens- und Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Textilbranche unter den veränderten Bedingungen aussehen und von wem müssen sie geführt werden? 

AG VI - Zukunft der Arbeit im Sozialwesen
Zwischen emanzipativen Vorstellungen, Ökonomisierungsdruck und einer sich  stark verändernden Umwelt.
Mit Julia Mai – FAU Frankfurt (Sozialarbeiterin) und Karsten Renner - FAU Frankfurt (Sozialarbeiter)

Geprägt von Effizienzkriterien, einem hohen Kostendruck, sowie dem starken Fachkräftemangel bei anhaltend niedrigen Gehältern, ist die Arbeit im Sozialwesen von starken Ökonomisierungs- tendenzen betroffen und übernimmt zunehmend die Rolle der "Elends-Verwalterin".
Ausgehend von der Annahme, dass sich die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft - auch getrieben durch die Digitalisierung in anderen Branchen - weiterhin verschärfen wird, möchten wir  diskutieren, welche Entwicklungen auf uns zukommen und wie eine (Re)politisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Beschäftigten unter dem Begriff "Arbeitskampf 4.0" stattfinden kann.

15:45 - 17:30 Uhr: Plenum
Zusammentragen der Ergebnisse und Diskussion

17:30 - 17:45 Uhr: Fazit & Verabschiedung