Globale Soziale Rechte rund um Mindestlohn und Migration
Diskussionsveranstaltung am Dienstag, 22. April 2008, 19.30 Uhr: mit Horst Schmitthenner (IG Metall, Verbindungsbüro Soziale Bewegungen): "Wanderarbeit, temporäre oder saisonale Beschäftigung in den (relativen) Hochlohnzonen sind Möglichkeiten für die Menschen in den Niedriglohnländern, das weltweite Ausbeutungsgefälle zu unterlaufen und ihr Einkommen zu erhöhen. Für rumänische oder ukrainische ArbeitsmigrantInnen z. B. bringen zwei Monate landwirtschaftlicher Saisonarbeit in Westeuropa (für 5-6 Euro pro Stunde) mehr als ein Jahreseinkommen in der Fabrikarbeit, die dort kaum zu finden ist. Und in Richtung Moldawien, nach Asien oder Afrika wird das Gefälle noch größer. Gleichzeitig bleiben ArbeitsmigrantInnen aus diesen Ländern zumeist von jeglicher legalen Beschäftigungsaufnahme ausgeschlossen, selbst Einreise und Aufenthalt sind in der Regel illegalisiert.
- https://frankfurter-info.org/termine/globale-soziale-rechte-rund-um-mindestlohn-und
- Globale Soziale Rechte rund um Mindestlohn und Migration
- 2008-04-22T19:30:00+02:00
- 2008-04-22T23:55:00+02:00
- Diskussionsveranstaltung am Dienstag, 22. April 2008, 19.30 Uhr: mit Horst Schmitthenner (IG Metall, Verbindungsbüro Soziale Bewegungen): "Wanderarbeit, temporäre oder saisonale Beschäftigung in den (relativen) Hochlohnzonen sind Möglichkeiten für die Menschen in den Niedriglohnländern, das weltweite Ausbeutungsgefälle zu unterlaufen und ihr Einkommen zu erhöhen. Für rumänische oder ukrainische ArbeitsmigrantInnen z. B. bringen zwei Monate landwirtschaftlicher Saisonarbeit in Westeuropa (für 5-6 Euro pro Stunde) mehr als ein Jahreseinkommen in der Fabrikarbeit, die dort kaum zu finden ist. Und in Richtung Moldawien, nach Asien oder Afrika wird das Gefälle noch größer. Gleichzeitig bleiben ArbeitsmigrantInnen aus diesen Ländern zumeist von jeglicher legalen Beschäftigungsaufnahme ausgeschlossen, selbst Einreise und Aufenthalt sind in der Regel illegalisiert.
22.04.2008 von 19:30 bis 23:55 (Europe/Berlin / UTC200)
Hanau
Können sie Arbeit meist nur irregulär finden, ist das quer durch Europa für die Arbeitsmärkte funktional. Sweatshops und Baustellen, Landwirtschaft und Haushalte, Restaurants- und Putzdienste, Pflege- und Sexindustrie sind auf billige, flexible und vor allem fügsame, rechtlose ArbeitsmigrantInnen angewiesen. Es liegt also im kapitalistischen Interesse der unbedingten Ausweitung von Niedriglohnjobs, MigrantInnen und WanderarbeiterInnen mit den jeweiligen ansässigen Einwohnern in Konkurrenz zu setzen. Die Betroffenen wiederum sind häufig bereit, ja müssen bereit sein, die üblichen Lohnstandards, egal ob Tarife oder Mindestlöhne, zu unterbieten: um den Ausschluss vom Arbeitsmarkt zu umgehen oder auch weil ihr unsicherer Aufenthalt an einen Arbeitsplatz gekoppelt ist.
Das Spannungsfeld wird erkennbar:
Es ist einerseits berechtigt und notwendig, die über Jahrzehnte erkämpften oder zugestandenen Lohnstandards zu verteidigen, sofern die Unterbietung der Tarif- oder Mindestlöhne von Menschen aus Niedriglohnländern als Konkurrenz bzw. als Katalysator der Lohndumping-Spirale nach unten erscheint. Auf der anderen Seite hat das Migrieren gegen das Ausbeutungsgefälle, das Aneignen des Rechts auf Bewegungsfreiheit und für ein besseres Leben, ebenfalls seine eigene, gleichermaßen berechtigte Logik.
Aber wie mit diesem Widersprüchen umgehen?
Klassischer Protektionismus von konservativen Gewerkschaften bis zu Oskar Lafontaine ruft nach dem "starken Staat", nach mehr gesetzlichen, mit verstärkten polizeilichen Maßnahmen durchzusetzenden "Schutzregelungen". Wird das zunächst mit dem Widerstand gegen die ungebremste Ausbeutung in einem Geflecht von Subfirmen begründet oder gleich als Kampf gegen modernen Menschen- und Sklavenhandel bezeichnet, richten sich entsprechende Kampagnen zumindest in zweiter Linie dann aber auch oftmals gegen "die Fremdarbeiter und die Illegalen." Razzien und Abschiebungen sind häufig der notwendige Preis der Aufrechterhaltung des bestehenden Lohngefüges, sie sind Ausdruck eines standortnationalistischen Protektionismus, der das Ausbeutungsgefälle kaum bis gar nicht thematisiert, weil die von Razzien und Abschiebung Betroffenen geopfert oder gar zu Sündenböcken gemacht werden. Die Forderungen von Flüchtlingsselbstorganisationen und aus dem radikaleren antirassistischen Spektrum nach offenen Grenzen, nach dem uneingeschränkten Recht auf Bewegungsfreiheit, sei es aus Gründen der Flucht vor Verfolgung oder Armut, sei es eine Migration gegen das Ausbeutungsgefälle, ist zunächst politisch, sozial und vor allem moralisch im Recht! Dennoch muss dieser moralischen Gerechtigkeit die Frage der realen Ungleichzeitigkeiten durch das geschaffene Gefälle gegenübergestellt werden, mit denen von Kapitalseite in unterschiedlichster Form Spaltungen und Gegeneinanderausspielen zur verschärften Ausbeutung ausgenutzt oder gar in Gang gesetzt werden. Der Interessensunterschied oder sogar Gegensatz zwischen einheimisch-etablierten und neugekommen-rechtlosen ArbeiterInnen lässt sich nicht einfach mit plattem Inter- oder Transnationalismus wegreden.
Wie und wo überbrückende Ansätze vorantreiben?
In den USA steht die Justice for Janitors Kampagne für den erfolgreichen Versuch, illegalisierte bzw rechtlose MigrantInnen im gewerkschaftlich zu organisieren. Verdi hat daran orientierte Pilotprojekte gestartet. Ist dieses "Organising" auch für deutsche bzw. europäische Verhältnisse ein Modell? Der Europäische Wanderarbeitsverein, von der IG BAU initiiert, nutzt das Mindestlohngesetz im Bausektor, um osteuropäische Wanderarbeiter gegen Lohnbetrug zu unterstützen und damit gegen die Dumpingspirale in diesem Bereich anzugehen. Ist der Mindestlohn also die wichtigste Voraussetzung einer gemeinsamen Gegenwehr von migrantischen und einheimischen ArbeiterInnen? Und wäre es darüberhinaus nicht notwendig, gewerkschaftliche Bewegung in neuen Formen zu inter- oder transnationalisieren? Müsste es beispielsweise für die IG-Metall nicht darum gehen, statt nur dem alten Standort (Bochum) hinterherzulaufen, die gewerkschaftliche Organisierung der neuen Nokia-ArbeiterInnen in Rumänien zu unterstützen?
Ort: Hanau, DGB-Jugendheim
veranstaltet von: DGB Hanau und Sozialforum Hanau
Globale Soziale Rechte on TOUR - Veranstaltungsreihe Frühjahr´08 in 7 Städten:
http://www.globale-soziale-rechte.de