Gekaufte Spiele - Gewinner und Verlierer stehen schon fest

by BCC veröffentlicht 06.05.2014

- Kriminelle und menschenrechtswidrige Ökonomie am Beispiel Brasilien - Einladung zur öffentlichen BCC-Fachtagung am Samstag, den 17. Mai 2014 von 10 bis 18 Uhr. Nicht der Fußball, nicht die Freude am Spiel, die asoziale Dampfwalze des Weltkonzerns Fußballgeschäft steht in der Kritik der BCC-Fachtagung am 17. Mai.

  • Gekaufte Spiele - Gewinner und Verlierer stehen schon fest
  • 2014-05-17T10:00:00+02:00
  • 2014-05-17T18:00:00+02:00
  • - Kriminelle und menschenrechtswidrige Ökonomie am Beispiel Brasilien - Einladung zur öffentlichen BCC-Fachtagung am Samstag, den 17. Mai 2014 von 10 bis 18 Uhr. Nicht der Fußball, nicht die Freude am Spiel, die asoziale Dampfwalze des Weltkonzerns Fußballgeschäft steht in der Kritik der BCC-Fachtagung am 17. Mai.
Wann

17.05.2014 von 10:00 bis 18:00 (Europe/Berlin / UTC200)

Wo

Saalbau Bockenheim, Schwälmer Straße 28

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iCal

Vor dem Programm
9.00 - 10.00 Uhr
Vor der Tagung findet die (öffentliche) BCC-Jahreshauptversammlung statt.

Programm

10.00 - 10.30 Uhr: Eröffnung und Begrüßung.
Prof. Dr. Erich Schöndorf (BCC-Vorsitzender) und Grußworte der Mitveranstalter
10.30 – 11.30 Uhr: Filmausschnitt zu Brasilien.
Martin Kessler, Filmemacher und Dokumentarist, stellt die Kurzfassung seines Filmes vor. Diskussion.
11.30 – 12.30 Uhr: Die WM findet nicht statt.
Die sozialen Unruhen in vielen brasilianischen Städten und Regionen im Vorfeld der Fußball-WM. Was sind die Ursachen und wie organisiert sich der Widerstand?
Referentin: Claudia Fix, Publizistin, Redaktionsmitglied der Lateinamerika Nachrichten, Berlin.
12.30 – 13.30 Uhr: Mythos Maracanã.
Die Geschichte des legendären Stadions in Rio de Janeiro ist mehr als ein Fussballmärchen.
Referent: Thomas Fatheuer, Vorstandsmitglied in KoBra/Kooperation Brasilien e.V.
13.30 – 14.30 Uhr: Mittagspause (Kartoffelsuppe - mit und ohne Würstchen)
14.30 – 15.30 Uhr: Brasilien als Goldgrube für toxische Investitionen.
Zerstörung der Urwälder, Vertreibung und Existenzvernichtung der indigenen Stämme (z.B. das Xingu-
Projekt und andere Pläne).
Referent: Dr. Rainer Putz, ›Regenwald-Institut‹ (Freiburg).
15.30 – 16.30 Uhr: Weltkonzern Fußball.
Das System Blatter und Fußball als Modernisierungsmythos.
Referent: Jens Weinreich, Sportjournalist und FIFA-Kritiker
16.30 – 16.45 Uhr Kleine Kaffeepause
16.45 – 18.00 Uhr: Podiumsdiskussion.
Die Konzerne schießen die Tore und die Politik lässt sie rein. Was tun?
TeilnehmerInnen: C. Fix, Th. Fatheuer, Dr. R. Putz, J. Weinreich, Prof. Dr. E. Schöndorf. Moderation: Prof. Dr. Hans See

TeilnehmerInnengebühr (Mittagsimbiss incl.):
15 Euro (regulär)
10 Euro (BCC-Mitglieder und BIG-Abonennten)
5 Euro (für Ermäßigungsberechtigte)

Anmeldung
Um die Planung zu vereinfachen, bitten wir um
Anmeldungen bis zum 14. Mai 2014 unter folgenden
Adressen:
E-Mail: hi-waltemate@web.de
Telefon: 06181-491119 oder
Fax: 06181-47913
Postkarte: BCC, Postfach 1575, 63465 Maintal

Nunca mais (Nie wieder!)
Bevor im Juni die WM beginnt, begeht Brasilien im März ein trauriges Jubiläum: Es jährt sich zum 50. Mal die Militärdiktatur, die am 31. März 1964 die Macht an sich riss und 21 lange bleierne Jahre andauerte. Es sind nicht alleine die Erinnerungen, die die Militärdiktatur präsent werden lassen, sondern auch die Spuren, die bis in die Gegenwart hineinreichen.
1964 stürzte das Militär die amtierende Regierung, löste das Parlament auf, erließ ein Parteien-Verbot, zerstörte die Gewerkschaften und etablierte die Diktatur durch systematische Folterungen, durch das Verschwindenlassen von missliebigen Personen, z.B. indem man zuvor gefolterte Personen ins offene Meer warf: »Aktuelle Untersuchungen konnten bislang 475 Ermordete und Verschwundene nachweisen; über 24.000 Personen wurden verfolgt und inhaftiert.« (Brasilicum, Nr. 232, S.3)
Für die allermeisten Menschen in Brasilien brach eine bleierne Zeit an, die nicht enden wollte. Für ausländische Investoren brach ein goldenes Zeitalter an: Der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen waren keine Grenzen gesetzt. In den meisten westlichen Staaten verstand man diese terroristischen Umständen als ›wirtschaftsfreundliches Investitionsklima‹ unter ›stabilen‹ politischen Rahmenbedingungen.
Die deutsche Bundesregierung unter Bundespräsident Lübke (CDU) war die erste, die den Militärs gratulierte – fünf Wochen nach dem Putsch. In den folgenden Jahrzehnten schlossen sich alle im Bundestag vertretene Parteien diesem Votum an: 1975 preiste der FDP-Außenminister Genscher bei seinem Besuch die »Atmosphäre des Vertrauens, die für das deutsch-brasilianische Verhältnis charakteristisch ist«. Höhepunkt dieser blutigen Zusammenarbeit war der deutsch-brasilianische Atomvertrag, an dessen Zustandekommen parteiübergreifend gearbeitet wurde, über Franz-Josef Strauß (einst Atomminister), SPD-Bundeskanzler Willi Brandt bis hin zu Bundeskanzler Helmut Schmidt, der der Vertrag schließlich unterzeichnete.
Die freundschaftliche Verbundenheit mit einer Diktatur spiegelte sich auch auf der ökonomischen, geschäftlichen Ebene wider. Große deutsche Unternehmen sahen die terroristischen Arbeitsverhältnisse nicht als ein Menschheitsverbrechen, sondern als optimale Investitionsbasis, die der damalige Vorstandsvorsitzende der Volkwagen AG, Rudolf Leidig im Jahr 1974 so umschrieb: »Ich bin überzeugt, dass Brasilien vom politischen Gesichtspunkt aus sicherlich das stabilste Land in ganz Lateinamerika ist. Die Tatsache, dass hier in Europa gelegentlich Kritik gegenüber dem System laut wird, beruht sicherlich darauf, dass man hier nicht die nötige Einsicht und Kenntnis über das Land besitzt.« (Brasilicum, Nr. 232, S.4).
Nur ein Jahr später erteilte die Bundesregierung dem Waffenhersteller ›Heckler & Koch‹ die Genehmigung, eine Lizenz zur Produktion des G3-Gewehres an die Diktatur zu vergeben.
Diese Sympathie gegenüber diktatorischen Verhältnissen teilte sich der VW-Konzern mit vielen deutschen Unternehmen. Mehr noch: Sie arbeiteten der Militärdiktatur direkt in die Hände, wenn es darum ging, Arbeiter dem Geheimdienst auszuliefern oder durch Spitzel an Informationen zu gelangen, die direkt an die politische Polizei (DEOPS) weitergegeben wurden.
Die Diktatur endete 1985 – die Macht der Militärs, ihre Straffreiheit bis heute, das Schweigen derer, die diese ›demokratischen‹ Übergang einleiteten, der Preis, der gezahlt wurde, damit sich die Militärs zurückziehen, der Preis, den die Parteien bezahlen, damit sie an der Macht sein dürfen …. All das bezahlen die aller meisten Menschen in Brasilien noch heute.
»Die Initiative Nunca Mais – Nie Wieder organisiert in diesem Rahmen die Nunca Mais Brasilientage. Von März bis Juni 2014 wird es bundesweit Filmreihen, Workshops und Gesprächsrunden mit namhaften Experten und Zeitzeugen geben. Die Städte, in denen die Veranstaltungen stattfinden, sind u.a. Berlin, Köln, Bonn, Frankfurt am Main, Leipzig, Hamburg und Bielefeld. Parallel werden ähnliche Veranstaltungen in mehreren Städten Brasiliens organisiert. Im Rahmen der Nunca Mais Brasilientage wird insbesondere der aktuelle Stand der Aufarbeitung in Brasilien diskutiert, wie sie seit Einsetzung der nationalen Wahrheitskommission 2012 nunmehr offiziell begonnen hat. Die brasilianische Militärregierung war die erste von vielen Militärregierungen in Lateinamerika, die ab den 1970er Jahren insbesondere in Chile und Argentinien blutige Spuren hinterließen … Als übergreifender Schwerpunkt werden insbesondere die engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Brasilien während der Diktatur beleuchtet. Wer waren die deutschen Freunde des Militärs? Wer unterstützte die politisch verfolgten Brasilianer in Deutschland? Aktuelle menschenrechtliche Probleme in Brasilien wie Polizeigewalt und die Gewalt und Diskriminierung gegenüber Indigenen sollen ebenfalls diskutiert werden.« (http://www.nuncamais.de)
›Wenn mein Kind krank ist, bringe ich es in ein Stadion‹ (Parole während der Proteste im Juni 2013)
Nichts gegen Fußball, aber darum geht es die wenigste Zeit, wenn man von der WM 2014 in Brasilien spricht. Denn gewonnen haben andere, lange bevor das erste Spiel angepfiffen wird: der Fifa-Konzern, der Blatterismus, die Firmen, die sich den Gewinn unter sich aufteilen und die gegenwärtige Regierung in Brasilien, die ein Land zwischen glitzernder Wonderworld und ständig tanzendem melting
pot präsentieren möchte … in einer Zeit, wo Brasilien tatsächlich eher ein Schlachtfeld ist, auf dem verschiedene politische, geostrategische und soziale Konflikte ausgetragen werden: Brasilien auf dem Weg, in die Liga der Global Player aufzusteigen, Brasilien als die Nr. 1 der BRIC-Staaten, Brasilien als gigantischer Rohstofflieferant (Öl, Mais, Gold etc.), Brasilien als Agrar-Großmacht … Wie überall auf der Welt, wo der WM-Zirkus Halt macht, setzt er auf den Fußball-Nationalismus.
FasziNation Fußball soll alles, was es sonst noch gibt, in den Schatten stellen, so auch in Brasilien: Bevor der Ball rollt, hat das Geld längst das Spiel gemacht: Gigantische  Infrastrukturmaßnahmen, die ganze Stadtteile dem Erdboden gleichmacht, an denen sich die Bauindustrie eine goldene Nase verdient.
Während sich Brasilien darauf vorbereitet, die Gäste aus aller Welt herzlich zu empfangen, wurde unerwünschte Bevölkerung aus dem Weg geräumt: »Allein in den zwölf Ausrichterstädten der WM (einschließlich Rio als Austragungsort der Olympischen Spiele) wurden demnach bereits über 250.000 Menschen aus ihren Häusern geräumt oder sind von Räumung bedroht.« (LN und Rosa-Luxemburg-
Stiftung, Lateinamerikanachrichten, Nr. 471/472 - September/Oktober 2013).
Die WM verstärkt eine Entwicklung in Brasilien, die vor allem in den Großstädten eine Gesellschaft hervorbringt, die in zwei ›gated communities‹ zerfällt: Die erste ›gated community‹ ist die der Wohlhabenden, die sich hinter hohen Mauern und privaten Sicherheitsdiensten verschanzt. Die zweite ist die ›gated communitiy‹ der favelas, der Armenviertel, die von ersteren eingeschlossen werden. Das ist durchaus wörtlich gemeint: Seit 2000 hat die Stadtregierung von Rio de Janeiro damit begonnen, eine zwölf Kilometer lange und drei Meter hohe Mauer zu bauen, die insgesamt dreizehn Favelas umschließen soll. (Quelle: Der Tagesspiegel vom 18.6.2009).
Und natürlich ist jede WM (wie die Olympischen Spiele auch) viel mehr als der globale Wettbewerb von ›nationalen‹, allerdings längst multikulturellen Fußball-Mannschaften. Sie imaginiert eine Weltgemeinschaft, die alle vereint und alle Klassenunterschiede, Bürgerkriege und Kriege verschwinden bzw. vergessen lässt: Fußball, der friedlich und beglückt zusammenbringt, was vor und nach einer WM das Leben für viele bestimmt und prägt: immer größer werdende soziale Unterschiede, eine zunehmende Verpolizeilichung gesellschaftlicher Konflikte, Unterdrückung demokratischer Bestrebungen.

Proteste auf FIFA-Niveau
Im Juni letzten Jahres sind Hundertausende auf die Straße gegangen, um ihren Unmut gegenüber der Regierungspolitik zum Ausdruck zu bringen. Die Proteste wurden aber nicht nur durch die Wut über die korrupte Fußballmafia ausgelöst, sondern vor allem durch den Kampf gegen die Tariferhöhungen im öffentlichen Nahverkehr, der in Brasilien von miserabler Qualität ist und vorwiegend durch die Interessen der großen Busunternehmen bestimmt wird. Auf den Demonstrationen machten unzählige, spontan entstandene Parolen und Slogans die Runde: ›Ich kann ohne WM auskommen: Ich will Gesundheit, Arbeit und Bildung‹, ›Politiker, ihr habt jetzt nichts mehr zu lachen‹, ›Pelé und Ronaldo: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‹. Als Antwort schickte man Polizeieinheiten, die den Protest im Keim ersticken sollten. Das Gegenteil war der Fall. Der Protest hat zwar ein Mega-Event zum Anlass genommen, aber er geht mittlerweile weit darüber hinaus.
Aller Voraussicht nach wird im Juni nicht nur Fußball gespielt. Zahlreiche Basiskommitees haben auch ›Demonstrationen auf FIFA-Niveau‹ angekündigt. Sie wollen die Proteste, die im letzten Jahr begonnen wurden, fortsetzen. Die Menschen wollen einen ›Nahverkehr auf Fifa-Niveau‹. Gleiches beanspruchen sie auch für Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten und Arbeitsverhältnisse … - die ›WM‹ wird also nicht nur auf dem Fußballfeld entschieden. Auch in den Städten, auf dem Land und in den Regenwäldern Brasilien.
Nicht der Fußball, nicht die Freude am Spiel, die asoziale Dampfwalze des Weltkonzerns Fußballgeschäft steht in der Kritik der BCC-Fachtagung am 17. Mai 2014.
Wolf Wetzel (kommissarischer BCC-Geschäftsführer)

Mitveranstalter und UnterstützerInnen:
Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt e.V.
KoBra - Bundesweite Initiativgruppe Kooperation Brasilien e.V.
Stiftung Demokratie und Ökologie e.V.

Mehr Informationen zu den beteiligten Organisationen und Personen unter:
www.businesscrime.de
www.wirtschaftsverbrechen.de
www.frieden-und-zukunft.de
www.stiftung-oekologie-u-demokratie.de
www.neuewut.de
www.regenwald-institut.de
www.jensweinreich.de
www.kooperation-brasilien.org/de/ueber-kobra/kontakt