"Denk mal am Ort" in Frankfurt

erstellt von Denk mal am Ort — zuletzt geändert 2023-03-27T16:37:35+01:00
Die Veranstaltungsreihe am 1. und 2. April 2023 erinnert an Menschen, die in der NS-Zeit aus der Gesellschaft ausgegrenzt, verfolgt, deportiert, ermordet wurden.
  • Wann 01.04.2023 ab 10:00 Uhr (Europe/Berlin / UTC200)
  • Wo Frankfurt
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"Denk mal am Ort" findet an den authentischen Wohn- und Lebensorten unserer ehemaligen Nachbar*innen: in der ehemaligen Wohnung, im Haus, im Hof, im Treppenhaus, im Garten oder an den Studien- und Arbeitsorten statt.

Haus- oder Wohnungstüren werden geöffnet, die Namen unserer ehemaligen Nachbar*innen, Bruchstücke ihrer Biografien, Verfolgungs- und Fluchtgeschichten werden sichtbar in Gesprächen, Lesungen, Texten, Installationen, Zeichnungen, Musik, Audio, Film, Poesie, Gesang und mehr.

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

  • Samstag 10-11.30 Uhr - Rundgang
    Zeppelinallee 47
Auf Spuren jüdischen Lebens im „Diplomatenviertel“

Ein Rundgang zur Erinnerung an Frankfurter*innen im „Diplomatenviertel“.
Die Ortsbegehung beginnt in der Zeppelinallee 47 vor der Villa Herxheimer, die 1911 für Prof. Dr. med. Karl Herxheimer gebaut wurde, einen führenden Dermatologen seiner Zeit und Mitbegründer der Universität in Frankfurt.
Als 80-jähriger wurde der Medizinalrat nach Theresienstadt deportiert. Die Spurensuche endet an der Frauenlobstraße. Hier im „Diplomatenviertel“ lebten bis 1938/39 viele jüdische Frankfurter*innen. Von deren Leben und Wirken erzählt die Geschichtswissenschaftlerin Dr. Cilli Kasper-Holtkotte.

  • Samstag, um 11 und 14 Uhr - Führung
    Bockenheimer Landstraße 102
Die Villa 102: Ein Gebäude als Zeitzeugin
Dr. phil. Albert Sondheimer zog 1918 mit seiner Frau Margarete und den vier Töchtern Auguste, Ellen, Erna und Anna in die Villa Bockenheimer Landstraße 102 ein. Ein Hausbesuch in der Villa ermöglicht Einblicke in das Architekturdenkmal von 1912 und erzählt die Geschichte der Familie Sondheimer, die 1932 Deutschland verlassen musste.
Die über hundertjährige bewegte Chronik der Villa 102 zeugt vom großbürgerlichen Frankfurter Westend und jüdischem Leben in Frankfurt, aber auch von Vertreibung und Enteignung während der Zeit des Nationalsozialismus.

Anmeldung unter: www.kfw-stiftung.de/veranstaltungen

  • Samstag, 13 Uhr - Filmvorführung & Gespräch
    Kino Mal Seh'n, Adlerflychtstraße 6

„Meinen Freunden zum Abschied” 
Erinnerung an Ernst Ludwig Oswalt.
Ernst Ludwig Oswalt (1922-1942) war Schüler der Musterschule und Leiter der Jugendarbeit in der Evangelischen Sankt Petersgemeinde. Von den Nationalsozialisten als Jude verfolgt, verfasste er am Tag vor seiner Deportation einen Brief an seine Freunde.
“Meinen Freunden zum Abschied” heißt auch der 80-minütige Dokumentarfilm des Frankfurter Filmemachers Heiko Arendt über Ernst Ludwig Oswalt, der gezeigt wird.
Zum anschließenden Gespräch mit Heiko Arendt reist Ernst Ludwig Oswalts Nichte Ruth Oswalt aus Basel an. 

  • Samstag, 14-15.30 Uhr - Stadtgang über die Zeil
    vor dem Café Hauptwache

Boykottiert – „Arisiert“ – Enteignet - 90 Jahre Aprilboykott 1933
Bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts waren zahlreiche Kaufhäuser auf der Frankfurter Zeil in jüdischem Besitz. Mit dem Aprilboykott am 1. April 1933, an einem Samstag vor 90 Jahren, begann eine systematische Kampagne des NS-Staates gegen die jüdischen Geschäftsinhaber. Sie wurden boykottiert, unter Druck gesetzt, kriminalisiert und zum Verkauf ihrer Geschäfte gezwungen.
Der Stadtgang über die Zeil macht die Geschichte einiger Kaufhäuser und die Lebenswege der Geschäftsinhaber und ihrer Familien erfahrbar.
Anmeldung unter: Angelika.rieber@t-online.de

  • Samstag, 15 Uhr - Ausstellung & Gespräch
    Kantstraße 6
Ein ehemaliges "Ghettohaus" öffnet seine Türen: Hier wohnte die Familie Stern

Selma und Seligmann Stern lebten mit ihrer Tochter Elfriede, die 1935 nach Palästina emigrieren konnte, in der Kantstraße 6. Nach dem Wegfall des Mieter- schutzes für jüdische Mitbürger*innen wurde das Haus zu einem der ca. 300 „Ghettohäuser“, in das jüdische Familien zwangsweise einquartiert wurden.
Mit einer Treppenhaus-Ausstellung vom Parterre bis zum 4. Stock wird mit Fotografien, Dokumenten und biographischen Notizen an Familie Stern und die 32 Menschen, die hier lebten, erinnert. Die heutigen Hausbewohner*innen laden Sie ein, einzutreten und mehr über die wechselvolle Geschichte des Hauses zu erfahren. 

  • Samstag, 16 Uhr - Lesung
    Autorenbuchhandlung Marx & Co Grüneburgweg 76

Der Rechtsanwalt Dr. Julius Meyer schrieb im Exil über die November-Pogrome
Der Rechtsanwalt und Notar Dr. Julius Meyer lebte während der November-Pogrome 1938 im Grüneburgweg. 1940 schrieb er im Londoner Exil über das Erlebte. In seinem Bericht erzählt er von der willkürlichen Festnahme in seiner Frankfurter Wohnung, der Busfahrt zur Festhalle, den Schikanen und Demütigungen an diesem gefängnisgleichen Sammelplatz bis hin zum Transfer an den Südbahnhof. Von dort fuhren die Züge mit etwa 3.000 als Juden verfolgten Frankfurter*innen im Alter von 18 bis 60 Jahren in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau ab.
Jochen Nix liest aus Dr. Julius Meyers Zeitzeugenbericht eindringliche Auszüge über dessen Verhaftung. 

  • Sonntag, 11.30 Uhr Vortrag & Gespräch
    Café Anschluss, Hansaallee 150

Aus dem Altenheim vertrieben - Elise Hofmann und ihre Mitbewohner*innen
Die Witwe Elise Hofmann geb. Bloch war eine der ersten Bewohner*innen der von der Henry und Emma Budge Stiftung 1930 fertiggestellten Seniorenresidenz in der Hansaallee 146. Die Schwestern Karen und Connie Levi reisen aus den USA an, um ihrer 1942 in Treblinka ermordeten Urgroßmutter Elise Hofmann zu gedenken. Bis 1939 wurden alle jüdischen Bewohner*innen aus ihrem vermeintlichen letzten Ruhesitz vertrieben.
Über die bewegte Geschichte des Hauses, dessen Gebäude zu den Ikonen der Frankfurter Bauhausarchitektur gehört, spricht die Historikerin Dr. Gudrun Jäger. Heute befindet sich hier die Grünhof im Park Residenz. 

  • Sonntag, 14 Uhr Vortrag & Gespräch
    Jüdischer Friedhof, Rat-Beil-Straße 10

Doppel-Grab ohne Inschrift: Erinnerung an Siegmund und Rosette Una & Familie
Am Grab von Rosette & Siegmund Una erzählt Peter Lobbenberg, der als Verwandter aus London anreist, die Geschichte der Familie Una. 
Die Historikerin Christine Hartwig-Thürmer ergänzt seinen Bericht um ihre Recherchen zu der weit verzweigten Familie Una-Buseck-Fraenkel- Dreyfuss- Deutz, jüdische Frankfurter*innen, denen die Nationalsozialisten erst alle Rechte, dann Eigentum und Leben, und letztlich mit der Entfernung der Inschrift auf ihrem Grabstein auch noch die Erinnerung an sie nahmen.
Majer Szanckower, Verwalter der jüdischen Friedhöfe in Frankfurt, gibt Einblicke in jüdische Begräbniskultur und die Geschichte des Friedhofs.Die Erinnerung findet im Freien statt. Männer sind aus rituellen Gründen gebeten, Kopfbedeckung zu tragen.