Antifa-Kneipe: Jüdische Selbstbehauptung in der frühen BRD

erstellt von Antifaschistische Basisgruppe ffm/of — zuletzt geändert 2023-04-30T23:15:14+02:00
Vortrag & Diskussion: “Wir sind gerettet, aber nicht befreit” – mit Michael Sturm
  • Wann 26.05.2023 ab 19:00 Uhr (Europe/Berlin / UTC200)
  • Wo Café Kurzschlusz, Kleiststr. 5
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In den unmittelbaren Nachkriegsjahren und in der frühen Bundesrepublik waren die Überlebenden der Shoah vielfach weiterhin mit antisemitischer Ausgrenzung, Marginalisierung und Kriminalisierung konfrontiert. Der allenthalben bemühte Topos von der “Stunde Null” musste Jüd*innen, aber auch anderen im Nationalsozialismus verfolgten, entrechteten und ausgeplünderten Menschen angesichts der fortwährenden ideologischen und personellen Kontinuitätslinien als blanker Hohn erscheinen.

Norbert Wollheim, der im IG Farben-Lager Auschwitz-Monowitz hatte Zwangsarbeit leisten müssen und seit September 1945 als zweiter Vorsitzender des Zentralkomitees der befreiten Juden in der britischen Zone amtierte, notierte in einem Brief im August 1945: “Wir sind gerettet, aber nicht befreit”, und verlieh damit den Wahrnehmungen zahlreicher Überlebender der Shoah Ausdruck.

Jüd*innen in Deutschland – wie auch andere Überlebende des nationalsozialistischen Terrors – nahmen jedoch die Zumutungen der postnationalsozialistischen Gesellschaft keineswegs widerstandslos hin. Kämpfe um Anerkennung und Selbstbehauptung wurden auf unterschiedlichen Ebenen geführt: Sie richteten sich gegen den omnipräsenten gesellschaftlichen und institutionellen Antisemitismus, der sich etwa in dominanzgesellschaftlicher Schuldabwehr, der weit verbreiteten Stilisierung von NS-TäterInnen zu “Opfern” und nicht zuletzt der aggressiven Zurückweisung von Restitutions- und Entschädigungsforderungen spiegelte. Orte und Schauplätze des Widerstands und des Protests gegen die postnationalsozialistischen Verhältnisse waren beispielsweise die Camps, in denen zahlreiche Überlebende der Shoah aus ganz Europa als so genannte ‘Displaced Persons’ lebten – wie etwa auch im Frankfurter Stadtteil Zeilsheim.

Bezeichnenderweise sind diese Kämpfe und Proteste im Kontext einer hegemonialen Erinnerungskultur, die stark vom Paradigma der “Versöhnung” und der Behauptung einer vermeintlich “erfolgreichen Vergangenheitsbewältigung” geprägt ist, zumindest in der Dominanzgesellschaft weitgehend in Vergessenheit geraten.

Der Historiker Michael Sturm (Münster) beschäftigt sich mit der Protestgeschichte der Bundesrepublik, der Geschichte der extremen Rechten, Erinnerungskulturen im lokalen, nationalen und transnationalen Kontext.

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