Aktuelle Probleme mit dem Erbe Wolfgang Abendroths konfrontieren

erstellt von Denkbar e.V. — zuletzt geändert 2019-09-03T20:12:46+01:00
Partisanenprofessor im Lande der Mitläufer: Wolfgang Abendroth (1906-1985). Diskussionsveranstaltung.
  • Wann 17.09.2019 ab 20:00 Uhr (Europe/Berlin / UTC200)
  • Wo Denkbar, Spohrstraße 46 a
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Wolfgang Abendroth (2. Mai 1906 in Wuppertal/Elberfeld – 15. September 1985 in Frankfurt am Main), Hitlergegner, Staats-, Verfassungs- und Völkerrechtler, Interpret des Grundgesetzes, Historiker der europäischen Arbeiterbewegung, Mitbegründer der Politikwissenschaft im Nachkriegsdeutschland, gilt als einer der prägendsten politischen Intellektuellen der frühen Bundesrepublik.

Sozialisiert in der Arbeiterbewegung, kämpfte er im Widerstand gegen den Faschismus, zuletzt an der Seite der griechischen Partisanen. Schon als junger Student und Theoretiker der Arbeiter- und Jugendbewegung, in illegalen Zirkeln im Widerstand und im Zuchthaus, in der von ihm organisierten „Wüstenuniversität“ in der britischen Kriegsgefangenschaft, in der „demokratischen Kaderschmiede“ Wilton Park, verstärkt nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1946, nach seiner Flucht aus der damaligen sowjetischen Besatzungszone 1948 und seit 1951 als Hochschullehrer an der Philipps-Universität Marburg hatte er maßgeblichen Einfluss auf die politische und wissenschaftliche Diskussion innerhalb der Linken – und darüber hinaus. Die Sozialdemokratie (die ihn 1961 wegen seiner Solidarität mit dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund/SDS ausschloss), die „Neue Linke“ und die Gewerkschaftsbewegung, aber auch Rechtswissenschaftler, Politologen und Historiker in Europa, Afrika, Lateinamerika und den USA verdanken ihm bis heute maßgebliche Impulse.

Er war engagiert in der Bewegung gegen die Wiederbewaffnung und gegen die atomare Aufrüstung, initiierte den Widerstand gegen die Notstandsgesetze, arbeitete eng mit linken Gewerkschaftern zusammen und war einer der Mentoren der Studentenbewegung, der „68er“. Bis zu seinem Tod blieb er Ansprechpartner für Aktivist_innen aus aus den unterschiedlichsten politischen Organisationen und Bewegungen in Europa und ein vielgefragter Redner und öffentlicher Diskutant.

In Frankfurt erinnert nichts an ihn. Denn die wenigsten wissen: Der „Partisanenprofessor im Lande der Mitläufer“ (Jürgen Habermas) hat die meiste Zeit seines bewegten Lebens in Frankfurt am Main verbracht. 1911 kam er als Vierjähriger mit seinen Eltern in unsere Stadt. 1924 machte er Abitur an der Musterschule, 1930 an der Frankfurter Universität das erste juristische Staatsexamen. Im Frankfurter Gericht wurde er als Rechtsreferendar am 1. April 1933 zum ersten Mal verhaftet, im Frankfurter Polizeigefängnis saß er im Sommer 1937 in Untersuchungshaft. Nicht weit von der Denkbar, im Holzhausenviertel steht noch heute das Haus, das Abendroths Großvater Andreas Dambach (einer der Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie) Anfang des letzten Jahrhunderts gekauft hat.

Dorthin kehrte Wolfgang Abendroth zurück,1972, nach seiner Emeritierung in Marburg. In Frankfurt hat er dann die letzten dreizehn Jahre bis zu seinem Tod gelebt, gelehrt (u.a. an der Akademie der Arbeit).Tom Strohschneider schrieb 2018: “…wie kann Kritik am Kapitalismus praktisch werden? Wolfgang Abendroth sah im Grundgesetz die Garantie, für eine Gesellschaft zu sorgen, in der die Ziele von Freiheit und Gleichheit nicht an den Mauern des »Stummen Zwangs« der ökonomischen Verhältnisse zerschellen.

Es wäre eine Diskussion zu wünschen, die aktuelle Probleme mit dem Erbe Abendroths konfrontiert.“ (Über die Vergesellschaftung von Grund und Boden (vgl. Artikel 15 Grundgesetz) wird schon wieder debattiert …)
Das wollen wir versuchen gemeinsam mit seiner Tochter, der Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Abendroth, dem Schauspieler, Regisseur und begnadeten Vorleser Jochen Nix und dem Politologen Prof. Dr. David Salomon, Universität Hildesheim.

Veranstalter: Denkbar e.V.