Weitere Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus

erstellt von Initiative Stolpersteine Frankfurt — zuletzt geändert 2022-06-07T15:24:05+02:00
Am Wochenende des 11./12. Juni sowie am 22. Juni werden in Frankfurt 54 neue Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus in den Stadtteilen Ginnheim, Niederrad, Nordend, Ostend, Sachsenhausen und Westend feierlich enthüllt. Die Gedenksteine wurden in den Tagen zuvor bereits im Gehweg vor dem letzten frei gewählten Wohnort der Opfer verlegt.

Zeremonien mit Nachfahren der Opfer und musikalischer Begleitung an 18 Standorten

An 18 verschiedenen Adressen finden kleine Zeremonien zur Einweihung der Stolpersteine statt. Angehörige und Nachfahren der Opfer werden an zahlreichen Enthüllungen teilnehmen. Sie reisen hierfür aus Frankreich, Schweden, Israel und aus verschiedenen deutschen Städten an. Die Veranstaltungen, zu denen alle Frankfurter Bürgerinnen und Bürger herzlichst eingeladen sind, werden mit Live-Musik begleitet.

Die Verlegeorte und der detaillierte Zeitplan findet sich auf https://www.stolpersteine-frankfurt.de/de/aktuell

Steine für politisch Verfolgte / Gedenken an den Röntgenphysiker und Abgeordneten Friedrich Dessauer

Der Samstag beginnt mit der Enthüllung von drei Steinen für verfolgte Kommunisten in Niederrad. Anton Raab, Wilhelm Gumbmann und Philipp Greiff wurden 1935 mit anderen Widerstandskämpfern verhaftet und im sogenannten Niederräder Kommunistenprozess angeklagt und zu Gefängnis, Konzentrationslager und Strafbataillon verurteilt.

An den Physiker, Röntgenpionier, Stadtverordneten und Reichstagsabgeordneten Friedrich Dessauer und seine Familie gedenken wir am Samstagvormittag in der Stresemannalle 36. Dort wohnte die Familie, bevor sie vor den Verfolgungen durch die Nazis 1934 in die Türkei fliehen konnte.

Gedenken an jüdische Opfer

Die Mehrzahl der neuen Steine wird für ehemalige jüdische Mitbürger verlegt. Hier sei die große Familie Hauser/Abraham genannt, für die nun 11 Stolpersteine vor dem Haus Uhlandstraße 38 liegen. Am Gedenken an Elisa, Leo, Hanna und Max Goldschmidt in der Scheffelstraße 22 werden am Samstagnachmittag Nachfahren aus Israel teilnehmen.

Der Sonntagvormittag steht ganz im Zeichen einiger Frankfurter jüdischer Familien, denen teilweise die Flucht nach Schweden glückte. Während Karl und Lea Falkenstein (Beethovenstraße 11) und Lotty und Ludwig Hirsch (Brentanostraße 6) der Deportation und Ermordung nicht entgehen konnten, gelang Cornelie Werthan (Lersnerstraße 30a) und anderen Mitgliedern der Familien Hirsch und Oppenheimer (Bockenheimer Landstraße 107) die Flucht nach Schweden, von wo Nachkommen zu den Enthüllungen anreisen werden.

Am Sonntagvormittag wird in der Schumannstraße 10 auch der Familie Mentzel gedacht. Charlotte und Albert Mentzel waren Schüler am Bauhaus. Albert Mentzel der nach der Flucht der Familie nach Frankreich in der Resistance aktiv war, überlebte die deutsche Besatzung im Gestapo-Gefängnis. Nach dem Krieg wurde er unter dem Namen Albert Flocon ein international bekannter Grafiker. Seine Frau Charlotte und die Tochter Ruth wurden verhaftet, nach Auschwitz deportiert und ermordet. Zur Zeremonie reisen zahlreiche Mitglieder der Familie Mentzel/Oppenheimer an, unter anderem die zweite Tochter von Albert und Charlotte Metzel aus Frankreich.

Opfer der Morde an Kranken und sogenannten "Berufsverbrechern"

Die beiden abschließenden Zeremonien am Samstag und Sonntag erinnern an Opfergruppen, denen vergleichsweise selten gedacht wird. Am Sonntag enthüllen wir in der Raimundstaße 68 einen Stein für Karoline Johanne Schmidt, die als Patientin der Heilanstalt Eichberg im Rahmen der sogenannten "Aktion T4" oder "Euthanasie-Morde" in der Gaskammer von Hadamar ermordet wurde.

Bereits am Samstagnachmittag gedenken wir in der Querstraße 5 im Nordend gemeinsam mit Angehörigen seiner Familie Robert Stark. Er wurde wegen kleinerer Vergehen verhaftet und als sogenannter "Berufsverbrecher" in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht, wo er nach kurzer Zeit ums Leben kam. Den Opfern wie Robert Stark, die von den Nazis als "asozial" oder als "Berufsverbrecher" gebrandmarkt wurden, hatte die Bundesrepublik noch bis vor wenigen Jahren die Anerkennung als Verfolgte und jegliche Entschädigung verweigert.

Stolpersteine sind 10 x 10 x 10 cm große Betonquader mit einer auf deren Oberseite verankerten Messingplatte, auf der die Namen und Daten von Menschen eingraviert sind, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden, aus Deutschland fliehen mussten oder die Lager überlebten. Sie werden in die Bürgersteige vor den letzten freiwilligen Wohnorten der Opfer eingelassen.

Seit 2003 wurden in Frankfurt bereits über 1.700 Stolpersteine verlegt, insgesamt hat der Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, schon mehr als 90.000 Stolpersteine in mehr als 1.200 Städten und Gemeinden in Deutschland und 24 europäischen Ländern verlegt. Die Stolpersteine gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Pressemitteilung 07.06.2022