Weg mit den diskriminierenden „2G“- und „2G+“-Vorgaben im Prostitutionsgewerbe!

erstellt von Doña Carmen e.V. — zuletzt geändert 2021-12-21T19:59:46+02:00
Die politische Instrumentalisierung (nicht nur) des Prostitutionsgewerbes zur Erreichung einer höheren Impfquote geschieht auf Kosten der hier tätigen Sexarbeiter*innen. Denn die betroffenen Frauen verdienen unter „2G“-Bedingungen gegenwärtig erheblich weniger, als zur Begleichung ihrer Zimmermieten erforderlich ist. Sie werden dadurch massiv in die Verschuldung getrieben.

 Ungeimpfte nicht wie Aussätzige behandeln!

Dreizehn Bundesländer, die zusammen 90 % aller Prostitutions-Etablissements und 96 % aller hierzulande tätigen Sexarbeiter*innen umfassen, unterliegen mittlerweile den „2G“- bzw. „2G+“-Vorgaben durch die Corona-Verordnungen der Bundesländer. An deren Erfüllung ist fortan die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen gekoppelt. Das „2G“- bzw. „2G+“-Regime kommt im Bereich Prostitution einem De-facto-Lockdown gleich. Denn er schließt rund 13 Millionen Nicht-Geimpfte von der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen aus. Die in sechs Bundesländern praktizierte, schärfere „2G+“-Variante vergrault weitere Kunden.

Wer der Meinung ist, dies entspräche einem in den jeweiligen Bundesländern tatsächlich vorliegenden Gefährdungspotenzial durch Covid-19, liegt falsch. So ergeben Recherchen von Doña Carmen e.V. (siehe www.donacarmen.de), dass die 6 Bundesländer mit den strikteren „2G+“-Vorgaben just jene sind, in denen die Covid-19-Hospitalisierungsrate mit am niedrigsten ist und der Anteil der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen unter dem Bundesdurchschnitt von aktuell 20,9 % liegt.

Das Bundesland Sachsen hat mittlerweile ein Totalverbot für Prostitution verfügt, obwohl dort weniger Covid-19-Patienten auf Intensivstationen liegen als im Vorjahr und im Unterschied zu 2020 die Impfquote von 0 % auf immerhin 62 % angestiegen ist. Im Vorjahr waren dort sexuelle Dienstleistungen außerhalb konzessionierter Prostitutionsstätten noch erlaubt. Jetzt aber ist das dortige Prostitutionsgewerbe mit einem Totalverbot schlechter gestellt als im Vorjahr. Das zeigt die politische Willkür im Umgang mit dem Prostitutionsgewerbe.

So genannte „Hotspot“-Vorgaben in manchen Corona-Verordnungen der Länder erlauben nun zeitlich begrenzte Schließungen von Prostitutions-Etablissements (wie aktuell in der Stadt Offenbach). Es reichen für zu hoch erachtete Corona-Inzidenzen unabhängig von Hospitalisierungen und Intensivbettenbelegung. Schließungswellen durch die mildere Omicron-Variante wären damit vorprogrammiert, ohne dass die Zahl der Covid-19-Hospitalisierungen steigen muss. Auch hier ist politische Willkür mit Händen greifbar.

Doña Carmen stellt fest: Die gegenwärtigen „2G“- bzw. „2G+“-Vorgaben in den einzelnen Bundesländern stehen nachweislich in keinem inneren Zusammenhang zur tatsächlichen Belastung durch Corona. Politisch motivierte Erwägungen jenseits realer Gefährdungslagen sind offenbar ausschlaggebend, wenn es um Vorgaben im Bereich Prostitution geht.

Die von maßgeblichen Covid-19-Indikatoren losgelösten, flächendeckend verordneten „2G“- bzw. „2G+“-Vorgaben im Prostitutionsgewerbe verfolgen einzig und allein das Ziel, durch Ausschluss von sexuellen Dienstleistungen zusätzlichen Druck auf 13 Millionen Ungeimpfte auszuüben. Dieses Ziel rechtfertigt nicht, ein ganzes Gewerbe in Geiselhaft zu nehmen.

Die politische Instrumentalisierung (nicht nur) des Prostitutionsgewerbes zur Erreichung einer höheren Impfquote geschieht auf Kosten der hier tätigen Sexarbeiter*innen. Denn die betroffenen Frauen verdienen unter „2G“-Bedingungen gegenwärtig erheblich weniger, als zur Begleichung ihrer Zimmermieten erforderlich ist. Sie werden dadurch massiv in die Verschuldung getrieben.

Auf der anderen Seite besteht nun die reale Gefahr, dass Jobcenter die betroffenen Frauen mit Verweis auf geöffnete Bordelle jederzeit vom ALG-II-Bezug ausschließen können, der ihnen unter den Bedingungen des Real-Lockdowns 2020/21 erwiesenermaßen zustand. Damit wird durch sachlich nicht gerechtfertigte Corona-Vorgaben die materielle Existenz von Sexarbeiter*innen staatlicherseits in Frage gestellt.

Doña Carmen e.V. fordert die bundesweite Ersetzung der gegenwärtig geltenden „2G“- bzw. „2G+“-Vorgaben im Prostitutionsgewerbe durch eine „3G“-Vorgabe. Nichtgeimpfte mit negativem Test dürfen nicht länger von der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen ausgeschlossen werden!

Doña Carmen e.V. orientiert sich damit am Tenor einer Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10.12.2021 zur vorläufigen Außervollzugsetzung der 2-G-Plus-Regelung bei körpernahen Dienstleistungen. Das Oberverwaltungsgericht hielt den Ausschluss Ungeimpfter für „unangemessen“ und bewertete ihn als „keine notwendige Schutzmaßnahme“: „Der vollständige Ausschluss Ungeimpfter von allen körpernahen Dienstleistungen berücksichtige grundlegende Bedürfnisse nach einzelnen dieser Dienstleistungen gar nicht“, so das Gericht Was für Friseure und Fußpfleger gilt, sollte allerdings auch für sexuelle Dienstleistungen gelten: Ihnen darf der Zugang zu diesen Dienstleistungen „nicht vollständig verschlossen werden“.

Spätestens mit der Omicron-Variante des Corona-Virus wird offensichtlich, dass eine Impfung für sich genommen längst nicht mehr als die verlässliche Schutzmaßnahme gelten kann, für die sie von der Politik noch immer verkauft wird. „2G“-Vorgaben haben daher keine gesundheitspolitische Perspektive mehr. Sinnvoll wären gezielt eingesetzte Tests, die nicht nur das Virus nachweisen, sondern auch die Viruslast und somit Auskunft darüber geben, ob die Schwelle der Infektiösität bei Corona-Positiven überhaupt erreicht wird.

Der nun schon seit mehr als drei Wochen anhaltende Rückgang der Werte maßgeblicher Covid-19-Inikatoren (Hospitalisierungsrate, 7-Tages-Inzidenz, R-Wert) und infolgedessen auch der einsetzende Rückgang des Anteils von Covid-19-Patienten auf Intensivstationen sollte Anlass genug sein, der berechtigten Forderung von Doña Carmen e.V. nach Abschaffung von „2G“-Vorgaben im Prostitutionsgewerbe Rechnung zu tragen.

Doña Carmen e.V., 21. Dezember 2021