Vor 25 Jahren: Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien
Jeder, der heute die militärische Aggression der russischen Föderation gegen die Ukraine kritisiert, sollte nicht vergessen, dass der erste Angriffskrieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg von der NATO geführt wurde. Am 24. März 1999 begannen NATO-Streitkräfte, ohne ein UN-Mandat, Jugoslawien zu bombardieren.
Es war der erste Kampfeinsatz des Bündnisses in Europa und der erste Kriegseinsatz der deutschen Bundeswehr seit 1945. Als Vorwand dienten der NATO die nationalistischen Konflikte bei der Separation der verschiedenen Bundesstaaten und Regionen der früheren Bundesrepublik Jugoslawien. Unter aktiver Beteiligung der Regierung der BRD wurde die Abspaltung Sloweniens und Kroatiens betrieben, später Bosnien-Herzegowinas und weiterer Teilrepubliken. Die multiethnische Verfasstheit der jeweiligen Regionen wurde nun nationalistisch überlagert zu gewalttätigen Konfliktfeldern.
Zu einem besonderen Konfliktraum wurde die serbische Provinz Kosovo, wo westlichen Staaten gegen die staatlichen Befugnisse Serbiens die militärischen Kräfte der albanischen UÇK unterstützten, die u.a. Terroranschläge auf serbische Polizeistationen verübten. Im Sommer 1998 herrschte im Kosovo Bürgerkrieg, für den die OSZE einen Waffenstillstand versuchte zu vermitteln. Als Vertreter der OSZE reiste der US-Diplomat Richard Holbrooke ins Land, um die Einhaltung der Waffenruhe zu überwachen. Gleichzeitig setzten die USA auf ein militärisches Eingreifen gegen Jugoslawien, während die Europäer im Februar 1999 noch einmal zu Verhandlungen nach Paris zwischen Vertretern der jugoslawischen Zentralregierung und der albanischen UÇK einluden. Doch statt Gesprächen blockierte der albanische Verhandlungsführer Hashim Thaci, später „Präsident der Republik Kosovo", jede Übereinkunft.
Holbrooke forderte den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević daraufhin ultimativ auf, einer Unabhängigkeit Kosovos zuzustimmen. Als dieser sich weigerte, beschloss die NATO den Krieg. Ohne sich um ein UNO-Mandat zu bemühen oder den Fall im Sicherheitsrat zu erörtern, begann die NATO am 24. März 1999 mit massiven Luftangriffen. Um diesen Krieg zu rechtfertigen behauptete die deutsche Bundesregierung damals, man habe einen „serbischen Vertreibungsplan" stoppen müssen. Der damalige Außenminister Joschka Fischer („Die Grünen") verkündete sogar, man wolle so „ein neues Auschwitz" verhindern. Veteranen des antifaschistischen Kampfes und Verfolgte des NS-Regimes bezichtigten ihn deshalb einer „neuen Auschwitz-Lüge".
Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien dauerte 75 Tage. Es waren insbesondere massive Luftangriffe, die angeblich „ausschließlich militärische Ziele" treffen sollten. Die Ruinen des staatlichen Fernsehsenders mitten in Belgrad, die noch heute zu sehen sind, zeigen sehr deutlich, dass es um die Zerstörung der staatlichen Infrastruktur ging. Vorsichtshalber erklärte die NATO-Sprecherin Jamie Shea, dass auch „Kollateralschäden" in der Verantwortung von Präsident Milošević lägen, denn er habe sich dem Drängen der NATO widersetzt.
Die Zahl dieser Schäden war groß. Anfang April fielen Bomben auf die Stadt Aleksinac, zwölf Zivilisten starben, hundertfünfzig Wohnungen wurden zerstört. Mitte April starben im Westen des Kosovo 73 Menschen, als Nato-Flugzeuge einen Flüchtlingszug bombardierten. Bekannt ist der Angriff auf die Brücke bei Varvarin am 30. Mai 1999. Angehörige der getöteten Zivilisten hatten viele Jahre später versucht, in einem Zivilprozess gegen die BRD Schadensersatz einzufordern, was von den deutschen Gerichten abgelehnt wurde.
Die militärische Übermacht NATO war über zwei Monate nicht in der Lage, das Land militärisch niederzuwerfen. Dass es der jugoslawischen Luftabwehr gelang, einen „Tarnkappenbomber", das damals modernste Kriegsgerät der NATO, abzuschießen, war ein Beleg für die Situation. Der britische Premier Tony Blair erwog sogar den Einsatz von Bodentruppen. Doch Anfang Juni 1999 entschied die jugoslawische Regierung, zum Schutz der eigenen Bevölkerung der NATO Erpressung nachzugeben. Die jugoslawische Armee und serbische Polizei zogen sich aus dem Kosovo zurück, NATO-Einheiten marschierten in die serbische Provinz ein und teilten sie in fünf Besatzungszonen auf. Damit wurde auch das Bombardement beendet.
Die grausame Bilanz: Etwa fünfzehntausend Menschen wurden Opfer der NATO-Luftangriffe zwischen dem 24. März und dem 12. Juni 1999.
Die Zeugnisse der Kriegsverbrechen der NATO sind bis heute in Belgrad sichtbar. Sie zeigen deutlich, es ist die Zivilbevölkerung, die Opfer solcher kriegerischen Auseinandersetzungen ist. Außerdem erinnern wir daran, dass der Konflikt bis heute nicht gelöst werden konnte. Weder ist der völkerrechtliche Status der Provinz Kosovo international anerkannt, noch sind die Rechte der serbischen Bevölkerungsgruppe gesichert.
Für die FIR ergibt sich hieraus die historische Erkenntnis, dass das Selbstbestimmungsrecht von Menschen in einer Region nicht mit Militärgewalt durchgesetzt werden kann, sondern nur durch Verhandlungen und Verträge unter Verantwortung der Vereinten Nationen.
FIR Newsletter 2024-12 dt., 21.3.2024