Urteil im Lübcke-Prozess: Keine Einzeltäter! Es braucht die Aufdeckung rechter Netzwerke und Strukturen!

erstellt von Interventionistische Linke [iL*]-Frankfurt — zuletzt geändert 2021-01-28T11:35:16+02:00
Frankfurt am Main. Heute wird am Oberlandesgericht das Urteil gegen den Neonazi Stephan Ernst gesprochen.

Ihm wird vorgeworfen, zusammen mit Markus Hartmann den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet zu haben. Ernst wird zudem ein rassistisch motivierter Mordversuch an Ahmed I. zur Last gelegt. Außerdem wurde eine von ihm angelegte Liste mit Namen von Politiker*innen und Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Kassel gefunden, deren Synagoge er ausgespäht hatte.

Von dem heutigen Urteil erwartet sich die Frankfurter Ortsgruppe der Interventionischen Linken nichts, da sie der Meinung ist, dass auf Gerichte und Behörden im Kampf gegen Rassismus und faschistischen Terror kein Verlass ist. Wieder einmal wird ein Neonazi als Einzeltäter verurteilt und es soll ein Schlussstrich gezogen werden.
Deutlich wurde all das bereits während des Prozesses: Weder wurden die Verknüpfungen in extrem rechte Netzwerke verfolgt, noch die Strukturen auch nur annähernd aufgedeckt. Dabei gibt es eindeutige Verbindungen zwischen dem Täter Stephan Ernst und extrem rechten Gruppierungen, darunter Personen aus dem Umfeld des sogenannten NSU.

Skandalös ist zudem das Vorgehen des Senats, der sich einer tiefergehenden Aufklärung verweigerte und Ernst nicht als schuldig für den Messerangriff auf Ahmed I. betrachten will – obwohl alles auf Ernst als Täter hindeutet, inklusive DNA-Spuren. Zugleich wurde der Nebenkläger Ahmed I. vor Gericht einem belastenden Verhör unterzogen, während die Richter nichts gegen das abfällige Verhalten des Angeklagten Ernst unternahmen. Diese Haltung zeigt sich auch an der Entlassung des wahrscheinlich an der Tat beteiligen Markus Hartmann aus der Untersuchungshaft – trotz über 30 Indizien, die gegen Hartmann sprechen.

„Das kennen wir schon. Wir kennen dieses strukturell rassistische Verhalten von Ermittlungsbehörden und Gerichten schon seit der Selbstenttarnung des NSU vor 10 Jahren und dem darauffolgenden Prozess“, sagt Erna Deek von der Interventionistischen Linken Frankfurt: „Aber mit uns wird es keinen Schlussstrich geben.“

Aus diesem Grund wird es heute morgen vor dem OLG Proteste geben, um – unter sorgfältigen Corona-Schutz-Maßnahmen – auf das unzureichende Gerichtsurteil aufmerksam zu machen. Auf Schildern und mit einem Redebeitrag tragen die Aktivist*innen ihre Forderungen an die Öffentlichkeit.

„Was wir fordern, ist eine umfangreiche Aufklärung, die rechte Netzwerke in Gesellschaft und Staat offenlegt und sämtliche Verbindungen zum Verfassungsschutz und NSU aufdeckt! Dazu brauchen wir eine echte Entnazifizierung der deutschen Politik, der Behörden und der Gesellschaft!“, ergänzt Erna Deek von der Interventionistischen Linken Frankfurt.

Ab 11.00 Uhr findet zudem eine Kundgebung am Oberlandesgericht (Zeil 42) zum Prozessende statt. Organisiert wird diese vom Bündnis gegen rechten Terror Hessen.

Pressemitteilung 28.1.2021