U4-Lückenschluss am Grüneburgpark mit langem oder kurzem Tunnel?
Kritische Aspekte im Vorlauf zu den Gutachten, deren Veröffentlichung für September 2024 angekündigt ist.
- Diese Aspekte zum U4-Lückenschluss sollen Bürger:innen und Politiker:innen helfen, die Gutachten, die in diesem Monat veröffentlicht werden sollen, hinsichtlich Vollständigkeit, Vergleichbarkeit und gleicher Detailtiefe für beide Tunnelvarianten zügig zu beurteilen.
Der BUND Kreisverband Frankfurt steht gemeinsam mit dem Bündnis Verkehrswende Frankfurt der Realisierung der langen Campus-Tunnelvariante 3 skeptisch gegenüber. Wir präferieren die fast geradlinig nach Norden verlaufende kurze Tunnelvariante 1d mit oberirdischer Station am Botanischen Garten - ergänzt um eine Straßenbahn über Hansaallee und Reuterweg. Die Begründung dafür enthält das BUND-Forderungspapier, das nach der Pressekonferenz des damaligen Verkehrsdezernenten Klaus Oesterling vom 9.2.2021 veröffentlicht wurde. Hier die aktuelle Version 3.1. vom 27.8.23 zum Download: www.bund-frankfurt.de/service/downloads/
Nach Meinung von Professor Dr. Martin Lanzendorf, Mobilitätswissenschaftler an der Goethe-Universität, müsste vor einer Variantenentscheidung zunächst geprüft werden, ob die seit 2020 bereits vielfach diskutierte Straßenbahnvariante nicht die bessere Lösung für den Anschluss des Campus Westend ist.
Wolf-Rüdiger Hansen, Mitglied des Vorstands im BUND Kreisverband Frankfurt, betont:
„Wir sehen den Ergebnissen der Gutachten und einer darauf basierenden Entscheidung über die Wahl einer Tunnelvariante kritisch entgegen. Als Voraussetzung für eine Entscheidung fordern wir Vollständigkeit und gleiche Detailtiefe für beide Tunnelvarianten in Bezug auf alle Entscheidungskriterien wie Kosten, Umweltverträglichkeit, Klimabilanz, Baumbilanz, Nutzen u.a. Nach Veröffentlichung der Gutachten wird unser Forderungspapier aktualisiert.“
Hinsichtlich der absehbaren Kosten ist es hilfreich, einen Vergleich zu der im Bau befindlichen U5 ins Europaviertel zu ziehen. Deren 2,7 km lange Strecke – davon nur ca. 850 m Tunnel - sollte ursprünglich 281,4 Millionen Euro kosten. In 2023 wurden bereits 515 Mio. Euro veranschlagt: das 1,8-fache. In 2021 wurden für den 2,5 Kilometer langen U4-Campus-Tunnel 240 Mio. Euro Baukosten veranschlagt. Auf welche Höhe würden wohl die Baukosten für diesen dreimal längeren Tunnel steigen?
Angesichts der absehbaren Kostensteigerungen ergibt sich die Frage, ob die Zuwendungen von Land und Bund proportional dazu erhöht würden bzw. welche gegenüber der ursprünglichen Planung zusätzlichen Lasten auf die Stadt zukämen. Die von der Stadtpolitik präferierte lange U4-Campus-Tunnelvariante 3 mit der Station auf dem Theodor-W.-Adorno-Platz - anfangs in Trogbauweise inzwischen aber unterirdisch geplant -, sehen wir skeptisch, weil neben den höheren Kosten die folgenden Plausibilitätskriterien gegen den langen Campustunnel sprechen - unbeschadet der noch nicht veröffentlichen Gutachtenergebnisse:
- Treibhausgas-Ausstoß (THG): Proportional zu der 2,5-fachen Länge verursachte der lange gegenüber dem kurzen Tunnel einen 2,5-fachen THG-Ausstoß. Wie stark beeinträchtigt dieser vermeidbare Klimaschaden die Klimaziele der Stadt Frankfurt?
- Zwei S-Kurven: Der lange Tunnel verschwenkt über zwei enge S-Kurven zum und vom Campus. Damit erhöhte sich das Einsatzrisiko der Tunnelbohrmaschine. Wie hoch stiegen damit die Wartungskosten für Schienen und Wagenräder zulasten der VGF bzw. der Stadt?
- Verlängerte Fahrzeit: Wieviel länger würden Fahrgäste von der Bundesbank und aus dem Frankfurter Norden durch den langen Tunnel zum Hauptbahnhof benötigen?
- Bauzeitbelastung: Die unterirdische Station Adorno-Platz würde zwischen dem großen Hörsaalgebäude und dem Gebäude der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften in offener Bauweise erstellt. Dabei fielen enorme Abraummengen an, die mit Lastwagen über das Campusgelände zur Hansa-Allee abtransportiert werden müssten. Welche Belastungen entstünden dabei für den Lehr- und Forschungsbetrieb der Goethe-Uni?
- Alternative Straßenbahn und kurzer Tunnel mit deutlicher Kostenersparnis: Wir präferieren den kurzen Tunnel ergänzt um die reaktivierte Straßenbahn entlang Hansa-Allee und Reuterweg, verbunden mit drei bis vier bequem erreichbaren Haltestellen am Campusrand. Über eine etwa 1,5 Kilometer kurze Distanz stünde damit zum S-Bahnhof Taunusanlage eine schnellere Verbindung zu den S-Bahnen zur Verfügung als mit dem langen Tunnel zum Hauptbahnhof. Die Kombination aus kurzem Tunnel und Tram würde erheblich geringere Bau- und Betriebskosten erfordern. Die Straßenbahn wäre mit einem Bruchteil der durch Wegfall des langen Tunnels ersparten Kosten bezahlbar. Warum verschließt sich die Stadt der viel schnelleren Inbetriebnahme des kurzen Tunnels?
- Barrierefreiheit: Eine Station am Adorno-Platz wäre über Fahrstühle barrierefrei erreichbar. Böte eine barrierefreie Tram über drei bis vier Stationen am Campusrand nicht die schnellere Lösung, um in die Stadt oder zu den S-Bahnen an der Taunusanlage zu gelangen?
Wolf-Rüdiger Hansen zieht nach Berücksichtigung aller dieser Kriterien dieses Fazit: Wir verstehen nicht, dass die Reaktivierung der Straßenbahn entlang Reuterweg und Hansa-Allee in den Plänen der Stadt keine Rolle spielt. Vermutlich ist sie doch im Gesamtverkehrsplan Schiene enthalten, der auch in Bälde veröffentlicht werden soll. Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des U4-Lückenschlusses fordern wir deswegen eine NKI-Betrachtung für die Kombination des kurzen Tunnels mit der Hansa-Allee-Tram im Vergleich zum langen Campus-Tunnel. Ohne diesen Vergleich und wenn auch die Gutachten keine faktenbasierte Präferenz für den langen Tunnel ergeben, würde der Verdacht gefördert, dass eine Entscheidung zugunsten des Campus-Tunnels eine Prestige-Angelegenheit wäre. Dem würden wir nicht zustimmen.“
Pressemitteilung 4.9.2024