Stellungnahme zur Grundsteuer-Reform

Stellungnahme zur Grundsteuer-Reform

Im Hessischen Landtag wird in diesen Wochen ein neues Hessisches Gesetz zur Grundsteuer beraten, das auch Auswirkungen auf Wohnprojekte haben wird. Das Netzwerk Frankfurt hat daher zusammen mit der Regionalkoordination Rhein-Main des Mietshäuser Syndikats eine Stellungnahme verfasst, in der wir für eine stärkere Entlastung von Wohnraum und die Gleichbehandlung von nichtgenossenschaftlichen Wohnprojekten mit Genossenschaften eintreten.

Stellungnahme des Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen Frankfurt e.V., der Regionalkoordination Rhein-Main des Mietshäuser Syndikats und der Beratung Nordhessen des Mietshäuser Syndikats zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessischen Grundsteuergesetz (HgrStG)

Einleitende Bemerkungen

Die Nutzung der Länderöffnungsklausel im Grundsteuer-Reformgesetz durch das Land Hessen eröffnet Gestaltungsspielräume, um auf den besonders hohen Bedarf an Wohnraum in den hessischen Ballungszentren einzugehen. Die Abkehr vom Grundsteuer-Bundesmodell und dem dort genutzten Ertragswertverfahren wird unsererseits positiv bewertet: Die mit dem hessischen Flächenmodell verbundene Vereinfachung der Steuerberechnung wird, neben dem geringeren Verwaltungsaufwand für die Finanzbehörden, die Planbarkeit des zu erwartenden Grundsteueraufkommens gewährleisten.

Unabhängig vom gewählten Modell wird es durch die Abkehr von Einheitswerten und die erforderliche Neubewertung zu einer Umverteilung der Steuerlast kommen. Die Kommunen sollen dennoch Planungssicherheit erhalten und ihre Hebesätze so anpassen, dass das Steueraufkommen insgesamt weitestgehend unverändert bleibt. Durch die Reform der Grundsteuer kann sich jedoch die Steuerlast für die Nutzungsgruppen „Wohnen“ und „nicht-Wohnen“ zueinander verschieben. Dabei ist eine Benachteiligung des Wohnens dringend zu vermeiden. Als besonderes Instrument hat der Bundestag die Grundsteuer C eingeführt, um Spekulation mit Grund und Boden weniger attraktiv zu machen. Neben der Möglichkeit, unerwünschtes Spekulationsverhalten zu benachteiligen, können insbesondere Begünstigungen richtungsweisende Regelungsinstrumente darstellen. In dieser Hinsicht sehen wir beim aktuellen Gesetzesentwurf Verbesserungsmöglichkeiten.

In Bezug auf den Gesetzesentwurf der Landesregierung haben wir deshalb vor allem zwei Anliegen. In den folgenden zwei Punkten soll der Bedarf an einer weitergehenden Begünstigung von Wohnraum gegenüber anderweitigen Nutzungsformen und an einer Angleichung der Begünstigung von genossenschaftsähnlichen Wohnprojekten an genossenschaftliche Wohnprojekte dargestellt werden. Zu einzelnen Punkten des Gesetzes nehmen wir folgendermaßen Stellung:

1. Absenkung der Steuermesszahl für Wohnraum auf 50 Prozent

Eine Begünstigung von Wohnraum gegenüber anderweitigen Nutzungsformen, wie im Entwurf der Landesregierung vorgesehen, wird begrüßt. Das Recht auf menschenwürdiges Wohnen ist ein existenzielles Grundbedürfnis, welches allgemein anerkannt ist. So haben andere Bundesländer, bspw. Sachsen und das Saarland, von der Länderöffnungsklausel Gebrauch gemacht, um einzig diesen Punkt anzupassen. Die Ermäßigung um 30 Prozent erscheint jedoch als nicht ausreichend – eine Ermäßigung um 50 Prozent ist insbesondere mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt geboten. Nicht nur das in der Begründung des Regierungsentwurfes angegebene Gemeinwohlinteresse ist dafür maßgeblich, sondern auch das Ziel, eine mietkostenneutrale Reform der Grundsteuer zu gewährleisten. Für Kommunen, deren Grundsteueraufkommen von umfangreichen Industrieund Geschäftsgrundstücken dominiert wird, wäre ohne diese Anpassung ein Grundsteuerhebesatz erforderlich, der zu einer Mehrbelastung der Grundstücke mit überwiegend wohnlicher Nutzung führen würde. Zudem gibt die stärkere Begünstigung einen weiteren Impuls, Wohnraum zu schaffen, und trägt somit dazu bei, die schwierige Wohnsituation in den Großstädten zu verbessern.

Die entsprechende Begünstigung auf 50 Prozent betrifft unmittelbar Menschen mit Wohneigentum.
Durch die Umlage der Grundsteuer auf Mietende werden jedoch auch diese entlastet. Damit besteht
die Möglichkeit, im Rahmen der Neugestaltung der Grundsteuer den Aufwand für Wohnen sowohl in Eigentum als auch zur Miete nicht zu erhöhen.

Daher schlagen wir folgende Änderung des § 6 Abs. 2 vor:
Die Steuermesszahl für den Flächenbetrag nach § 5 Abs. 2 beträgt 50 Prozent.

2. Angleichung der Begünstigung von genossenschaftsähnlichen Wohnprojekten an genossen-
schaftliche Wohnprojekte

Die gemäß § 15 Abs. 4 des Grundsteuergesetzes erfolgende Begünstigung von Genossenschaften
und Vereinen, die an ihre Anteilseigner:innen respektive Mitglieder vermieten, trägt der Förderung
von bezahlbarem Wohnraum Rechnung. Leider werden anderweitig organisierte Wohnprojekte da-
hingehend benachteiligt, dass sie keine Ermäßigung auf die Grundsteuer erhalten. Angesichts der
komplexen Landschaft an selbstverwalteten Projekten ohne Gewinnerzielungsabsicht bedarf es ei-
ner Anpassung des Gesetzes mit dem Ziel, genossenschaftsähnliche Wohnprojekte bei der Ermäßi-
gung der Steuermesszahl mit genossenschaftlichen Wohnprojekten gleichzustellen.
Eine Angleichung ist zunächst erforderlich, weil die Neuregelung der Grundsteuer möglichst mietkostenneutral erfolgen soll und dies im Hinblick auf die besteuerten Projekte ohne Reduktion der Steuermesszahl sehr schwierig sein wird.

In Frankfurt etwa bestehen mehrere Wohnprojekte in Gegenden mit einem nominell sehr hohen Bodenrichtwert (zum Beispiel im Bahnhofsviertel), die nur aufgrund der Vergabe durch Konzeptverfahren finanziert werden konnten. Nach unseren Schätzungen werden diese Projekte ohne eine Angleichung eine erheblich höhere Grundsteuer zahlen müssen, was steigende Mietkosten für die Mieter:innen bedeutet. Die Angleichung ist zudem als Förderung selbstverwalteten, gemeinschaftlichen Wohnens geboten. Damit wird bei der Grundsteuergesetzgebung vollzogen, was in anderen Bereichen bereits erfolgt ist. So werden sowohl bei Fördermöglichkeiten als auch bei der Grundstücksvergabe nach Konzeptqualität auch genossenschaftsähnliche Projekte berücksichtigt. Maßgebende Kriterien bei genossenschaftsähnlichen Wohnprojekten, die eine Begünstigung rechtfertigen, sind: Die Mitglieder der Wohnprojekte wohnen selbst vor Ort (Selbstnutzung). Sie sind sowohl Mieter:innen als auch Träger:innen des jeweiligen Projekts. Die Projekte verwalten sich selbst und ihre Mitglieder entscheiden in demokratischer und gleichberechtigter Form. Die Wohnprojekte sind für immer oder zumindest auf lange Dauer angelegt und haben sich dazu jeweils eine Rechtsform gegeben, die das gewährleistet. Gemeinschaftliche Wohnprojekte wirken zudem regelmäßig in ihre Nachbarschaften und Quartiere durch Veranstaltungen oder öffentliche Angebote. Auf dieser Grundlage werden Projekte des Mietshäuser Syndikats bspw. Bei der Grundstücksvergabe nach Konzeptqualität in zahlreichen Bundesländern und Städten – auch in Hessen – berücksichtigt und im Rahmen von Förderungen genossenschaftlichen Projekten gleichgestellt.

Das ist insofern naheliegend, als es sich organisatorisch um Vereine handelt, die sich aus den Mieter:innen zusammensetzen. Allerdings sind die Häuser nicht im unmittelbaren Eigentum der Vereine, sondern gehören individuellen Hausbesitz-GmbHs, sodass die Bedingungen des § 15 Abs. 4 des Grundsteuergesetzes formell nicht erfüllt sind. Jedoch sind die alleinigen Gesellschafter dieser GmbHs der jeweilige Hausverein und die Mietshäuser Syndikat GmbH mit eingeschränktem Mitbestimmungsrecht. Dieses Konstrukt zielt auf die Unveräußerlichkeit der einmal erworbenen und in Selbstverwaltung überführten Liegenschaften ab, um Spekulation mit Wohnraum auszuschließen. Damit handeln diese Projekte zwar direkt im Sinne des Gesetzgebers, finden jedoch bei der Ermäßigung der Grundsteuer aus formellen Gründen keine Berücksichtigung.

Aber auch andere Organisationsformen gemeinschaftlichen Wohnens, die nicht explizit gegen Spe-
kulation eintreten, jedoch langfristig angelegt sind, sollten bei der reduzierten Grundsteuer aus den
folgenden Gründen Beachtung finden: Erstens ermöglicht gemeinschaftliches Wohnen eine beson-
ders effiziente Nutzung von Wohnraum dahingehend, dass nur zeitweilig benötigte Räume bspw. für Homeoffice, Musizieren, Handarbeiten, Reparaturen etc. geteilt werden können. Zweitens fördern
selbstverwaltete Projekte innerhalb ihrer Bewohnerschaft Autonomie, Gemeinschaft und Innovation und erhöhen damit die Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe. Drittens tragen sie zur Ent-
wicklung ihres jeweiligen Wohnumfelds durch Aktivitäten und – insbesondere soziales – Engagement sowie Einbindung der Nachbarschaft bei.

Daher schlagen wir vor:
Selbstverwaltete und genossenschaftsähnliche gemeinschaftliche Wohnprojekte sollten in § 6, bspw. durch Einführung eines weiteren Absatzes, ebenfalls Berücksichtigung bei der Ermäßigung der Steuermesszahlen nach den Abs. 1 und 2 für die Flächenbeträge nach § 5 Abs. 2 und 3 um 25 Prozent finden.

Ein erheblicher Mehraufwand für die Finanzbehörden ist angesichts der geringen Anzahl derartiger
Projekte nicht zu erwarten. Neben einem Kriterienkatalog, dessen Erfüllung bei der Antragstellung
nachgewiesen werden muss, ist zusätzlich ein vereinfachtes Verfahren in Form einer Positivliste
denkbar. So erfüllen Projekte, die strikt gleich organisiert sind (bspw. Projekte des Mietshäuser Syn-
dikats) oder erfolgreich an einem Konzeptverfahren für gemeinschaftliches Wohnen teilgenommen
haben, zahlreiche Kriterien, die nicht gesondert überprüft werden müssen. Das Netzwerk Frankfurt und die Landesberatungsstelle für gemeinschaftliches Wohnen sind bei der Erstellung einer solchen Positivliste gerne behilflich.

Gesamteinschätzung

Der Entwurf eines Hessischen Grundsteuergesetzes vereinfacht die Ermittlung der Grundsteuer erheblich und hält zugleich ausreichend Anpassungsmöglichkeiten für eine gerechte Besteuerung bereit. Diese Anpassungsmöglichkeiten können und sollten auch gezielt zur Förderung des Wohnens als Gemeinwohlinteresse und im Besonderen des gemeinschaftlichen Wohnens als Innovationsfaktor genutzt werden.

Frankfurt, den 25.10.2021