Solidarität mit den Protesten und den verfolgten Gesundheitsbeschäftigten im Iran

Offener Brief an Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock

Mit einem offenen Brief (siehe unten) wenden sich der vdää*, die Bundesärztekammer, verschiedene Landesärztekammern, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, die IPPNW, der Marburger Bund Bundesverband, Marburger Bund Landesverband Hamburg, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) und das Zentrum Überleben an Bundeskanzler Scholz und Bundesaußenministern Baerbock wegen der Lage im Iran.

Sie wollen besonders das gewalttätige Vorgehen der Sicherheitskräfte gegenüber der protestierenden Ärzt*innenschaft benennen. Deren Protest richtet sich u.a. gegen die Anwesenheit von Sicherheitskräften in den Krankenhäusern. Ärzt*innen sind gezwungen, ihre Patient*Innen zu ihrem Schutz heimlich und außerhalb der Gesundheitszentren zu versorgen, und sind selbst Zielscheibe von Repressionen.

Die unterzeichnenden Organisationen solidarisieren sich mit den ärztlichen Kolleg*Innen im Iran und fordern, dass diese ihre Arbeit entsprechend dem Genfer Gelöbnis zum Schutze und Wohle ihrer Patient*innen ausüben können.

Pressemitteilung 15.12.2022

Offener Brief zum Iran

Sehr geehrter Bundeskanzler Scholz, sehr geehrte Außenministerin Baerbock,

als medizinisches Personal wenden wir uns an Sie mit großer Sorge um die menschenrechtliche und gesundheitliche Situation der Zivilbevölkerung im Iran. Seit dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Jina Amini am 16. September protestieren Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen landesweit unter Lebensgefahr gegen die Islamische Republik Iran, unter ihnen auch viele Medizinstudierende und Ärzt*innen.

Während sich die Menschen für ihre Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung einsetzen, nimmt das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen sie an Brutalität zu. Mit massiver Gewalt versucht das Regime, die Proteste zu unterdrücken. Wiederholt wurde von Amnesty International der Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern, das Schießen mit scharfer Munition sowie der massive Einsatz von Schlagstöcken gegen Protestierende dokumentiert. Über 15.000 Menschen wurden verhaftet, sogar Minderjährige zu Tode geprügelt, erschossen und verschleppt. Über 300 Menschen wurden bisher ermordet, darunter viele Minderjährige. Noch immer ist über den Verbleib zahlreicher politischer Gefangener nach dem Brand im Teheraner Evin Gefängnis am 15.10.2022 nichts bekannt. Es mehren sich Berichte über Vergewaltigungen und Folter in den Gefängnissen. Mit größter Sorge sehen wir den Beginn von Strafprozessen gegen politische Gefangene in diesen Tagen. Da den politischen Gefangenen im Iran Hinrichtungen drohen, befürchten wir, dass das Leben von unzähligen weiteren Menschen akut in Gefahr ist. Die aktuellen, heftigen Angriffe der iranischen Streitkräfte auf kurdische Gebiete stellen eine weitere dramatische Eskalationsstufe der staatlichen Gewalt gegenüber Zivilist*innen dar.

Als besonders perfide möchten wir auch das gewalttätige Vorgehen der Sicherheitskräfte gegenüber der protestierenden Ärzt*innenschaft benennen. Deren Protest richtete sich u.a. gegen die Anwesenheit von Sicherheitskräften in den Krankenhäusern. Ärzt*innen sind gezwungen, ihre Patient*Innen zu ihrem Schutz heimlich und außerhalb der Gesundheitszentren zu versorgen, und sind selbst Zielscheibe von Repressionen. Wir solidarisieren uns mit unseren ärztlichen Kolleg*Innen im Iran und fordern, dass sie ihre Arbeit entsprechend dem Genfer Gelöbnis zum Schutze und Wohle ihrer Patient*innen ausüben können.

Wir, Beschäftigte im Gesundheitswesen, sehen es als unsere Pflicht an, uns mit allen für Frauenrechte, Menschenrechte und Freiheit protestierenden Menschen im Iran zu solidarisieren. Wir bewundern ihren Mut, sich dieser Lebensgefahr auszusetzen und fordern entsprechend unserem beruflichen Selbstverständnis, das bedingungslose Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.

Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diesemenschliche Katastrophe zu beenden. Wir fordern eine Politik, die die Zivilbevölkerung schützt und unterstützt.

Maintal, 15.12.2022