Semesterstart in Hessen: Corona-Krise macht grundsätzliche Missstände an der Universität sichtbar

erstellt von unter_bau — zuletzt geändert 2020-04-22T12:30:00+02:00
Am 20.4.2020 beginnt an den hessischen Hochschulen das Sommersemester 2020.

Das Präsidium der Goethe-Universität Frankfurt hatte angesichts der veränderten Situation durch die Corona-Krise am 03.04.20 in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Senat ein „Ausnahmesemester“ angekündigt und darin Kernforderungen der Hochschulgewerkschaft unter_bau zu nötigen Rahmenbedingungen für das kommende Semester übernommen. Das Label „Ausnahmesemester“ wurde seither beibehalten – jedoch ohne dass die formulierten Rahmenbedingungen umgesetzt worden wären. Die Gewerkschaft wirft der Universitätsleitung vor, die Auswirkungen der Krise auf den Schultern der Lehrenden, Studierenden und Verwaltungsangestellten auszutragen.

„Einen Tag vor Beginn der Vorlesungszeit sind unsere Mitglieder – Angehörige aller Statusgruppen an der Goethe-Universität – immer noch stark verunsichert und bereits jetzt an ihren Belastungsgrenzen“, sagt Anna Wunderlich, Pressesprecherin von unter_bau, und ergänzt: „Zwar hat es an manchen Stellen Erleichterung gegeben, doch verspricht die Gesamtsituation allen Beteiligten ein chaotisches und belastendes Semester – trotz einer vorgeblichen Solidarität seitens der Entscheidungsträger.“ Mit Blick nicht nur auf das Sommersemester, sondern auch auf die Zeit danach fordert die Gewerkschaft die jetzt auftretenden Probleme der Arbeits- und Studienorganisation an ihren Wurzeln anzugehen.

„Dass nun an allen Ecken und Kanten zum Teil existentielle Probleme auftreten, zeigt, dass die Ausnahmesituation an der Universität nicht erst mit der Corona-Pandemie begonnen hat“, erklärt Wunderlich. „Vielmehr lässt die derzeitige Krise den mangelhaften Zustand der Universität im Allgemeinen deutlicher erkennen: Das Betreuungsverhältnis ist in vielen Studiengängen desaströs, Lehrveranstaltungen zum Teil völlig überlaufen. Natürlich lässt sich in so einem Zustand keine sinnvolle digitale Lehre verwirklichen. Mitarbeiter_innen in der technischen Infrastruktur können nur den Kopf schütteln, wenn der Kanzler nun eifrig tausende Zoom-Lizenzen kauft, während sie seit Jahren fordern, mehr Stellen zu schaffen, um eine vernünftige Digitalisierungsstrategie für die spezifischen Voraussetzungen der Universität zu entwickeln. Auch hat die starke Fokussierung auf Drittmittel zur Folge, dass die Universität ihre Mitarbeiter_innen besonders in der jetzigen Krisenzeit im Stich lässt und sie darauf hoffen lassen muss, dass die externen Geldgeber Lösungen anbieten. Diese und viele weitere Beispiele beschreiben eine Situation an der Hochschule, die nicht krisenresistent ist.“

unter_bau fordert daher, die grundsätzlichen Missstände an der Universität zu beheben: „Dass Senat und Präsidium vom Land die Verlängerung befristeter Verträge um ein Semester fordern, sollte keine Ausnahme sein, sondern der Beginn einer umfassenden Entfristungskampagne, um den Mitarbeiter_innen nachhaltig Sicherheit zu bieten", so Wunderlich. Außerdem müssten mehr Kitaplätze für Beschäftigte und Studierende geschaffen, das Outsourcing von universitätssystemrelevanten Tätigkeiten rückgängig gemacht und die hohe Arbeitsbelastung von Mitarbeiter_innen in Verwaltung, Technik und Service nachhaltig reduziert werden. Wunderlich erklärt abschließend: „Sollte die Universitätsleitung die Notwendigkeit dieser Maßnahmen nicht einsehen, dann erweist sie sich als der Lage nicht gewachsen.“ Zum Semesterauftakt veröffentlicht die Gewerkschaft einen umfassend erweiterten Katalog von Maßnahmen, die nun konkret ergriffen werden müssten.

Der aktualisierte Forderungskatalog von unter_bau findet sich unter folgendem Link: https://unterbau.org/2020/04/19/semesterbeginn-aktualisierte-forderungen-zur-corona-krise-von-unter_bau

Die „Erklärung der Goethe-Universität zum bevorstehenden Ausnahmesemester“ vom 03.04.20 ist hier nachzulesen: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/aktuelles/ausnahmesemester-erklaerung-von-senat-und-praesidium/

Hochschulgewerkschaft unter_bau, Pressemitteilung, 19. April 2020