PRO ASYL fordert sofortige Notaufnahme gefährdeter Menschen aus Afghanistan

erstellt von PRO ASYL — zuletzt geändert 2021-08-15T08:11:43+01:00
Der jüngst erfolgte Abschiebestopp nach Afghanistan ist richtig und war längst überfällig. Doch nun müssen weitere Schritte folgen: Ortskräfte und ihre Angehörigen müssen ebenso wie Menschen, die auf ein Visum zum Familiennachzug warten, schnellstmöglich ausgeflogen werden.

Gestern Herat, heute früh die Meldung über die Einnahme Kandahars durch die Taliban: Seit letzter Woche sind die Islamisten auf einem unaufhaltsamen Vormarsch. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, gefährdete Menschen über Kabul zu retten – bevor auch diese Stadt fällt und damit der Fluchtweg per Flugzeug versperrt wird. PRO ASYL fordert eine sofortige Notaufnahme.

„Jeden Tag rufen verzweifelte Menschen bei PRO ASYL an: Ortskräfte, die nicht wissen, wo sie sich hinwenden sollen, um Hilfe zu bekommen. Afghanen in Deutschland, die um ihre Familie in Afghanistan bangen und schon seit Monaten in der endlosen Schleife des Familiennachzugs hängen. Diese Situation ist unerträglich. Es braucht eine sofortige Notaufnahme dieser gefährdeten Menschen!", fordert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Die Bundesregierung muss die seit kurzem bestehende Hotline für Ortskräfte, die bereits eine Aufnahmezusage haben, erweitern, um den Menschen wenigstens Auskunft zu erteilen und sie nicht völlig im Unklaren zu lassen.

Anträge zum Familiennachzug müssen umgehend bearbeitet werden

Während die Taliban eine Stadt nach der anderen erobern, planen immer mehr Regierungen die Evakuierung ihrer Staatsangehörigen. Außenminister Maas hat nun ein bis zwei Charterflüge bis Ende des Monats angekündigt, auch um örtliche Helfer der Bundeswehr nach Deutschland zu bringen. Eine solche Evakuierungsmaßnahme ist dringend überfällig. Die Frage bleibt, wie dies genau ablaufen wird und wer berücksichtigt wird. Auch die bei Subunternehmen Beschäftigten sind in Gefahr. Eins ist klar: Die Zeit für bürokratische Prüfverfahren ist abgelaufen. Es ist geradezu peinlich, dass die Bundesregierung noch nicht einmal eine Kontaktadresse veröffentlicht, an die schutzsuchende Afghanen sich wenden können, während Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Schuld für die langsamen Verfahren allein der afghanischen Regierung zuschiebt.

Anträge für den Familiennachzug aus Afghanistan müssen schnellstmöglich bearbeitet werden. An den Deutschen Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi, die für Familiennachzug aus Afghanistan zuständig sind, warten rund 3000 Menschen allein auf einen Termin, um einen Visaantrag stellen zu dürfen (Bundestagsdrucksache Nr. 19/29430, S.4). Ihnen steht es rechtlich zu, zu ihren in Deutschland lebenden, engsten Familienangehörigen zu ziehen, die hier einen Schutzstatus erhalten haben.

Zudem braucht es ein Aufnahmeprogramm für jene Afghan*innen, die in den letzten Jahren für Frauenrechte, Demokratie und eine freie Gesellschaft gearbeitet haben – und die aufgrund ihrer Arbeit nun zur Zielscheibe der Taliban werden. „Wir haben es mit einer Ausnahmesituation zu tun. Es gilt, jetzt so viele Menschenleben zu retten wie möglich", fordert Günter Burkhardt.

PRO ASYL kritisiert den Entscheidungsstopp des BAMF

Afghanen brauchen Schutz. Es gibt keine sicheren Gebiete in Afghanistan, es gibt keinen internen Schutz vor der Taliban. Mit der Argumentation, von den Taliban Verfolgte könnten in Großstädten wie Herat, Mazar-i-Sharif, Kunduz oder Kabul sicher leben, wurden in der Vergangenheit verfolgte Afghanen vom BAMF abgelehnt. „Der nun vom BAMF verkündete  Entscheidungstopp ist unangemessen. Die Fiktion der angeblich sicheren Gebiete ist in sich zusammengebrochen", sagt Burkhardt. Wer verfolgt ist, braucht Schutz und darf nicht durch einen Entscheidungsstopp monatelang in der Wahrnehmung seiner Rechte als Flüchtling, zum Beispiel beim Familiennachzug, ausgebremst werden.

Presseerklärung 13. August 2021