»New Pact on Migration and Asylum«

»Kein Regierungschef und keine Regierungschefin der EU verteidigt mit Nachdruck das Menschenrecht auf Asyl«

Anlässlich der heute stattfindenden Tagung des Rates »Justiz und Inneres« der Europäischen Union warnt PRO ASYL nochmals vor einer Entrechtung von Schutzsuchenden an Europas Grenzen. Entscheidend wird die Vorfilteranlage – in Rechtsjargon Screening- und Grenzverfahren – sein.

PRO ASYL befürchtet ein rigoroses Aussieben der Anträge von Schutzbedürftigen. Sie sollen postwendend von Europas Grenzen in Drittstaaten oder Herkunftsstaaten zurückgeschickt werden. Grenzverfahren unter Haftbedingungen an den Außengrenzen drohen, die Zukunft des Flüchtlingsschutzes in Europa zu werden. Durch die Prüfung der Zulässigkeit bezogen auf »sichere Drittstaaten« unter gleichzeitiger Herabsenkung der an »sichere Drittstaaten« anzulegenden Kriterien könnte der Zugang zu Asyl gänzlich ausgehebelt werden.

Gegen diesen gravierenden Einschnitt in Rechtsstaat und Asylrecht formiert sich zusehends Widerstand. PRO ASYL hat einen Appell an das Europa-Parlament gestartet, den bis dato mehr als 130 Organisationen unterschrieben haben, darunter Diakonie Deutschland, pax christi, terre des hommes, Neue Richtervereinigung und viele mehr.  Der Appell kann weiter von Organisationen mitgezeichnet werden, den aktuellen Stand (11.12.2020) finden Sie hier.

PRO ASYL kritisiert die Beratungen zwischen den EU-Staaten auf das Schärfste. Die einen wollen überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen, die anderen sprechen zwar vom Flüchtlingsschutz, wollen aber mit Abriegelung und Gesetzesverschärfungen den Zugang zum Asyl noch weiter einschränken. »Kein Regierungschef und keine Regierungschefin der EU verteidigt mit Nachdruck das Menschenrecht auf Asyl«, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Bedenken der Ersteinreisestaaten

Während Staaten wie Deutschland verpflichtende Grenzlager einführen wollen, wird nun bekannt, dass die hauptsächlich davon betroffenen Staaten Griechenland, Malta, Italien und Spanien diese ablehnen. Sie warnen vor einer standardmäßigen Anwendung von Grenzverfahren, wenn es bei den Vorschlägen der Kommission bleibt. Stattdessen soll es ihren Vorstellungen nach im Ermessen der Mitgliedstaaten stehen, wann und für wen sie Grenzverfahren anwenden wollen. Ein Kernsatz in dem geleakten Schreiben der südlichen Länder lautet: »Setting-up large closed centers at the external borders is not acceptable. The management of asylum must fully respect human rights and the rights of asylum-seekers, which are to be reflected in the regulation of the relevant procedures.« Die vorgeschlagene Fiktion der Nicht-Einreise während der Grenzverfahren, wird als unrealistisch und nicht praxistauglich abgelehnt. Darüber hinaus prangern die vier Staaten an, dass zwar ihre Zuständigkeit für die meisten Asylverfahren aufgrund des Prinzips der Ersteinreise sehr explizit in den Vorschlägen steht, die Regeln zur »Solidarität« zu ihrer Entlastung aber vage und komplex seien.

Es ist paradox, dass Griechenland sich gegen Grenzlager und Schnellverfahren an der Grenze ausspricht und genau dies auf Lesbos mit einem europäischen Pilotprojekt bereits umsetzt, bevor die Pläne der EU-Kommission überhaupt beschlossen wurden. Vorgesehen ist mit EU-Unterstützung auf Lesbos ein kontrolliertes und geschlossenes Lager mit einer Kapazität von 5.000 Menschen zu errichten.

Wirksam stoppen kann die Vorschläge der Kommission nur das Europaparlament. PRO ASYL ruft deshalb Organisationen und Einzelpersonen in Deutschland zur Unterstützung des Aufrufs auf:

Wir sagen »Nein zu einem Europa der Haft- und Flüchtlingslager«!

Die Europäische Union gründet auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten. Geflüchtete brauchen Schutz und Zugang zum Recht auf Asyl. Stattdessen werden sie mit brutaler Gewalt von Europa ferngehalten oder sitzen verzweifelt in Elendslagern fest. Die Pläne der Europäischen Kommission führen nun nur zu noch mehr Entrechtung von Flüchtlingen.

Wir appellieren an Sie als Abgeordnete des Europäischen Parlaments: Treten Sie dem »New Pact on Migration and Asylum« entgegen! Machen Sie nicht mit, wenn Menschenrechte in Europa gebrochen werden. Es ist bereits 5 nach 12. Handeln Sie jetzt! Zur Begründung hat PRO ASYL die wichtigsten juristischen Hürden hier zusammengestellt.
PRO ASYL hat die problematischsten Aspekte des New Pacts in einem Überblick hier zusammengefasst.

Pro Asyl, Presseerklärung, 14. Dezember 2020