„Impfstoff-Nationalismus“ und private Profite bei Impfstoffentwicklung

erstellt von VdÄÄ — zuletzt geändert 2020-11-15T17:54:02+01:00
Kritik des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte

Die Pharmaunternehmen Pfizer Inc. und BioNTech SE gaben in einer Pressemitteilung vom 9. November 2020 (1) ein positives Zwischenergebnis in der Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 bekannt. Eine transparente Überprüfung durch die globale Wissenschaftsgemeinschaft steht noch aus. Währenddessen behindert die deutsche Bundesregierung eine global gerechte Impfstoffverteilung; Profitmaximierung als grundlegendes Prinzip der beteiligten Unternehmen wird zu wenig hinterfragt.

Solidarität statt Nationalismus

Wie bei anderen Impfstoffkandidaten haben sich auch in diesem Fall wenige reiche Staaten, darunter auch Deutschland, schon den größten Teil des Impfstoffs in intransparenten Vorverträgen gesichert. „Es ist nicht absehbar, dass ein vielleicht in näherer Zukunft anwendbarer Impfstoff gegen SARS-CoV-2 als öffentliches Gut allen Menschen in gleichem Maße zu Gute kommen wird. Was wir beobachten, ist ein verschärfter ‚Impfstoff-Nationalismus‘, der auch von der deutschen Bundesregierung vertreten wird“, kritisiert Andreas Wulf, Mitglied im Vorstand des vdää, und fügt hinzu: „Teil einer gerechteren, nachhaltigeren Strategie wären Transparenz der Verträge und Kalkulationen für den geplanten Verkaufspreis des Impfstoffs, die Überführung von Daten, Lizenzen und Know-How in den Covid19 Technology Access Pool bei der WHO und ein rascher globaler Technologietransfer.“

Privater Reichtum durch Arzneimittelherstellung ist keine Erfolgsgeschichte

Mit der Meldung positiver Forschungsergebnisse wurde in vielen Presseberichten auch die „einzigartige Erfolgsgeschichte“(2) von BioNTech erzählt. „Dieser öffentliche Diskurs ist symptomatisch für die scheinbare Alternativlosigkeit einer profitorientierten Arzneimittelherstellung, die letztlich auch den ‚Impfstoff-Nationalismus‘ befördert, weil die zahlungskräftigsten Abnehmer*innen bevorzugt werden“, gibt Felix Ahls, Mitglied im Vorstand des vdää, zu bedenken. „Für uns ist es aber nicht selbstverständlich, dass Arzneimittelherstellung zur Steigerung privaten Reichtums genutzt werden kann.“

Pharmakonzerne funktionieren dabei aber nur in dem von Regierungen bereitgestellten Rahmen. Dieser Rahmen muss im Sinne globaler Solidarität und Gemeinwohlorientierung verändert werden. Wie bei BioNTech sind es immer auch relevante öffentliche Forschungs- und Entwicklungsgelder, die solche Innovationen ermöglichen. Diese Investitionen müssen die öffentliche Nutzung der Ergebnisse sicherstellen und nicht in erster Linie privaten Reichtum fördern.

Eine gemeinwohlorientierte Pharmaindustrie aufzubauen, Patentrechte nicht über Menschenrechte zu stellen und den globalen Wissensaustausch im Bereich der medizinischen Forschung zu vertiefen, sind zukunftsweisende Lehren, die aus der Covid-19-Pandemie gezogen werden müssen.


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Pressemitteilung, Maintal, 15. November 2020

(1) https://investitionsbeschränkende/de/news-releases/news-release-details/pfizer-und-biontech-geben-erfolgreiche-erste-zwischenanalyse

(2) https://www.rnd.de/wirtschaft/biontech-grunder-sahin-und-tureci-die-kampfer-gegen-die-pandemie-T2AANGWUCFBSPEXTNHZTVJHJ3Q.html