Hessliche Zustände auflösen

Hessliche Zustände auflösen

Intervention zum diesjährigen HfG Rundgang im Gebäude des ehemaligen Polizeipräsidiums Südosthessen. "Wer schützt uns vor der Polizei - hessliche Zustände auflösen" - Dieser Slogan prangt seit gestern auf dem Haupteingang des ehemaligen Polizeipräsidiums Südosthessen in Offenbach und soll den dort vom 29. - 31. Oktober stattfindenden Rundgang der Hochschule für Kunst (HfG) kommentieren.

Es sind die hesslichen Zustände, die hier einmal mehr ihren Ausdruck finden.

Das Verhalten des Polizeipräsidiums Südosthessen während und nach dem rassistischen Anschlag am 19.Februar 2020 in Hanau ist geradezu exemplarisch dafür. Die Ignoranz gegenüber Anzeichen auf den Täter im Vorfeld, das Verhalten in der Tatnacht und gegenüber Angehörigen, Überlebenden und den Körpern der Toten, selbst die geschlossene Notausgangstür sind Ausdruck desselben: einer rassistisch strukturierten Brille durch die der Bulle und seine Behörde schaut. Wer wird zum Problem gemacht? Wer wird kontrolliert und wer wird ernst genommen? Wer ist der Gefährder: die Gesellschaft der Vielen oder der rassistische Einzeltäter?

Es ist dieser grundsätzliche rassistische Blick, der alles andere als auf das konkrete Verhalten in der Tatnacht beschränkt ist, sondern die Logik und die Handlung der hessischen Polizei prägt.

Die hesslichen Zustände sind nicht nur, dass dies passiert. Dass diese Form rechter Gewalt, Übergriffe, Morde immer wieder unvermindert passieren und in Hessen seit 30 Jahren traurige Kontinuität zeichnen.

Die hesslichen Zustände sind nicht nur ein Begriff für den mittlerweile bekannten Umstand, das der überwiegende Teil der SEK Beamten in der Nacht des 19.Februar in Nazi-Chatgruppen organisiert waren. Eine Nachricht, die zwar empört - aber angesichts der hessischen Polizeiskandale mit rechten Umtrieben, den NSU 2.0 Drohbriefen und den dubiosen Verbindungen rechten Terrors vom Mord an Halit Yozgat mit dem Femme Skandal bis Lübcke nur noch wenig überrascht.

Hessliche Zustände meint, dass Dinge wie diese einfach passieren können und vom Innenminister wie Polizeipräsidenten damit kommentiert werden, es handele sich um vorbildliche Polizeiarbeit. Dass bisher niemand für die sich aneinanderreihenden Skandale in der hessischen Polizei und dem Verfassungsschutz zurück treten musste. Dass Methoden der Polizei- und Behördernarbeit wie racial profiling nicht nur nicht hinterfragt, sondern sogar intensiviert wurden.

Aber auch, dass eine Hochschule einen Kunst-Rundgang in einem solchen Gebäude andenkt, ohne dies alles und Polizeigewalt in irgendeiner Art und Weise zu kommentieren und zu kontextualisieren. Dass sich Veränderung“ auf Diversity Workshops bezieht, aber nicht auf tatsächliche strukturelle Konsequenzen. Dass die universitäre Anteilnahme so ignorant stattfindet, das man die Namen der Opfer falsch geschrieben auf sein Fahnen druckt.

Die hesslichen Zustände beschreiben den Normalzustand, in dem die Polizei kein Freund, kein Helfer ist, in dem die Polizei von einem relevanten Teil der Bevölkerung nicht gerufen wird, weil ihnen nicht geholfen, sondern sie selbst zum Problem gemacht werden.

"Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar." (Paul Klee)

Deswegen haben wir uns den Raum genommen und den Ort markiert - um sichtbar zu machen, was von der HfG nicht gesagt werden wird: Hessliche Zustände auflösen!

[iL*]-Frankfurt

Angesichts der Wahl des Gebäudes für den HfG Rundgang hat sich eine selbstorganisierte Initiative von HfG Studierenden, politischen Gruppen, Kollektiven und Aktiven gegründet die mit vielen im Gebäude sichtbaren Hinweisen, Kommentaren, Bannern, einem eigenen Veranstaltungsprogramm und einer Kundgebung am 29.10. 18:00 vor dem Haupteingang auf die Problematik aufmerksam macht. Es wird unter anderem Redebeiträge der Initiative 19.Februar Hanau, von der Initiative Copwatch Frankfurt und von Vertreter:innen des Offenen Antifaschistischen Treffens (oat) vor Ort geben.

Pressemitteilung 29.10.2021