Hanau 19. Februar 2020: Die Namen der Opfer werden nicht vergessen

erstellt von Initiative 19. Februar Hanau — zuletzt geändert 2020-04-28T23:40:49+02:00
Stellungnahme der neu gegründeten Initiative zur Informationsblockade

"Nach den rassistischen Morden in Hanau am 19. Februar 2020 haben wir uns auf Mahnwachen, Kundgebungen und Beerdigungen ein Versprechen gegeben: Dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden. Dass wir uns nicht allein lassen. Dass es nicht bei folgenloser Betroffenheit bleibt. Die Kameras und Politiker*innen verlassen jetzt wieder die Stadt. Wir bleiben. Wir gründen eine Initiative, um der Solidarität und den Forderungen nach Aufklärung und politischen Konsequenzen einen dauerhaften Ort zu geben. Wir werden nicht zulassen, dass der 19. Februar 2020 unter den Teppich gekehrt wird – so wie die unzähligen rechten Morde zuvor. Und auch nicht, dass erneut Täter geschützt und ihre Gewalt verharmlost werden.

Es braucht jetzt direkte Unterstützung für Betroffene, Kontakte zu Rechtsberatung und erfahrenen Anwältinnen, psychologischen Beistand und Umzugshilfe, finanzielle Unterstützung und unabhängige Aufklärung. Und es geht um mehr: Jugendliche und Erwachsene in Hanau sprechen in den letzten Tagen viel darüber, welche Alltagserfahrungen sie mit Rassismus machen – in der Schule, in der Kita, auf der Arbeit, in der Bahn. Auch für diese Gespräche braucht es einen Raum und Vertrauen. Gegen das Vergessen, gegen das Verschweigen, gegen die Angst. Diesen Raum wollen wir schaffen, mit allen gemeinsam, die ihn brauchen, hier, vor Ort.

Wir schaffen einen Raum des Vertrauens. Wir wollen politische Solidarität und Sichtbarkeit. Wir stehen für die Gesellschaft der Vielen. Hanau ist unsere Stadt, unser Zuhause. So ist es und so wird es bleiben. Hier sind die Angehörigen, Familien und Freund*innen der Opfer und Verletzten. Sie müssen gehört werden. Die nächsten Wochen, Monate und Jahre werden wir uns gegenseitig Halt geben. Und dafür sorgen, dass Konsequenzen gezogen werden – und dass nichts vergessen wird.“

https://19feb-hanau.org 

Mittlerweile ist die Initiative in Hanau dabei, eine Anlaufstelle einzurichten,  einen konkreten „Raum des Vertrauens“, mit Beratung und als Ort des Zusammenkommens mit Angehörigen der Opfer sowie Überlebenden und deren FreundInnen. Zudem hat sich eine kleine Recherchegruppe gebildet, die am 7. April eine erste Stellungnahme veröffentlich hat.

Stellungnahme der Initiative 19. Februar Hanau zur rechtsextremen Motivation sowie zur Informationsblockade bezüglich der rassistischen Morde in Hanau

Was wir wissen:

— Tobias Rathjen, der Mörder von Hanau, hatte bei seiner Tat am 19. Februar 2019 eine Waffe der Marke Czeska dabei, die er sich 12 Tage vorher bei einem lokalen Waffenhändler ausgeliehen hatte.

— Auf der Webseite des Täters war ein weißer Wolf mit blauen Augen abgebildet.

— Rathjen war in den letzten Jahren u.a. in Wyoming in den USA und in mehreren europäischen Ländern unterwegs und hat - wie unlängst vom Spiegel gemeldet - zweimal an „Gefechtstrainings“ in der Slowakei teilgenommen.

Wir wissen noch nicht:

— ob - und wenn ja, wen - Rathjen am 19.02.2020 mit der Czeska erschossen hat.

— ob er sich als „einsamer Wolf“ im nazistischen Konzept des „führerlosen Widerstandes“ verortet oder zumindest darauf bezogen hat.

— ob er allein in der Slowakei war und ob er wie auch immer geartete Kontakte zu Rechtsextremen in Europa und/oder den USA hatte.

Wir fragen uns:

— Ist es ein Zufall, dass Rathjen eine Czeska - die Mordwaffe des NSU - ausgeliehen und womöglich auch eingesetzt hat?

— Ist es ein Zufall, dass er ein Symbol für seine Webseite verwendet hat, das eine historische wie auch aktuelle Geschichte des Nazismus hat?

— War Rathjen - jenseits seiner Slowakei-Besuche - nur auf Urlaubsreisen in den anderen europäischen Ländern und in Wyoming?

Und wir fragen uns natürlich: Warum geben die zuständigen Behörden seit nahezu sechs Wochen keinerlei Informationen zum aktuellen Ermittlungsstand heraus? Nichts zu ballistischen Untersuchungen, nichts zu Rathjens Webseite und nichts zu seinen Auslandsaufenthalten. Eine faktische Informationsblockade, während aus dem BKA angebliche Zwischenberichte in die Medien kommen, die die rassistische Motivation der Morde relativieren, um dann wieder dementiert zu werden.

Wir versprechen: wir werden nichts vergessen und gemeinsam mit Angehörigen und FreundInnen der Opfer auf einer lückenlosen Aufklärung der Morde und deren Hintergründe bestehen. 

Initiative 19. Februar, Hanau am 7. April 2020
https://19feb-hanau.org