Gespräch mit Frankfurter Bundestagsabgeordneten über Werkverträge – Leiharbeit – Mitbestimmung

erstellt von DGB Region Frankfurt-Rhein-Main — zuletzt geändert 2016-02-18T13:28:50+01:00
11.02.2016: Im Rahmen einer öffentlichen Diskussion legte der Deutsche Gewerkschaftsbund den Frankfurter Bundestagsabgeordneten dar, warum arbeitnehmerfreundliche Änderungen an bestehenden Gesetzen erwartet werden und eine strengere Regulierung und Kontrolle notwendig sei. „Der Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit nimmt zu, deswegen ist es aus gewerkschaftlicher Sicht unerlässlich, klare Regelungen zu finden und die Informations- und Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte auszubauen“, so Philipp Jacks, Gewerkschaftssekretär in der DGB Region Frankfurt-Rhein-Main. Darum habe sich der DGB Stadtverband Frankfurt nun in die bundesweite Diskussion über die Neuregelung von Werkverträgen und Leiharbeit eingeschaltet.

Jacks konnte eine Reihe von sachkundigen Kolleginnen und Kollegen wie auch die Abgeordneten Matthias Zimmer (CDU), Ulli Nissen (SPD), Jutta Krellmann (DIE LINKE) und Omnid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßen. Der DGB fordere, so Jacks, klare gesetzliche Kriterien, die echte von unechten Werkverträgen unterscheiden. Arbeitnehmern müsse es erleichtert werden, Missbrauch zu beweisen.

Die Gewerkschafter Michael Erhardt (IG Metall), Ralf Erkens (IG BCE), Filiz Mahner (NGG), Mathias Venema (ver.di), Klaus-Dieter Körner (IG BAU) sowie Letitia Türk vom DGB-Projekt Faire Mobilität begründeten eingangs ihre schlechten Erfahrungen mit den mangelnden Umsetzungsmöglichkeiten der bestehenden Gesetze und die häufig dramatischen Folgen für die betroffenen Beschäftigten.

Besonders problematisch sei es, dass die Anzahl der Werk- und Leihverträge wachse, und so die Gefahr bestehe, dass Stammbelegschaften dauerhaft durch Beschäftigte mit eingeschränkten Rechten und Mitbestimmungsmöglichkeiten ersetzt werden. Aus dem Bereich Dienstleistungen wurde von Firmen berichtet, wo inzwischen bis zu einem Drittel der Belegschaft aus Leiharbeitern besteht. Es gehe um die Sicherung von Mitbestimmungsrechten und nicht nur um Informationsrechte der Betriebsräte, die im aktuellen Gesetzgebungsverfahren eine Rolle spielen müssen. „Die aktuellen Vorschläge gegen den Missbrauch sind halbherzig und völlig unzureichend“, resümiert Jacks. „Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, klare Regelungen gegen Missbrauch zu schaffen, wird mit dem derzeitigen Entwurf weit verfehlt. Und das in Branchen, wo Lohndumping unter Umgehung des Mindestlohnes mit Sicherheit zu Altersarmut führt. Ganz abgesehen davon, dass Unterbezahlung, Vorenthaltung des Urlaubsgeldes und ständige Verstöße gegen gesetzliche Regelungen das Bild dieser prekären Arbeitsverhältnisse bestimmen. Es muss gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“

Durch Subunternehmen, die kaum zu kontrollieren seien, würden häufig die rechtlichen Bestimmungen ausgehebelt. Ein Beispiel wurde genannt, bei dem ein Generalunternehmen sechs Subunternehmen beschäftigte. Überprüfungen dieser Verhältnisse seien kaum vorgesehen, und wo sie stattfänden blieben Verstöße ohne Folgen für das Unternehmen. Die Realität der Arbeitswelt im Umgang mit Werkverträgen und Leiharbeit sei sehr viel problematischer als in der gesellschaftlichen Debatte allgemein zum Ausdruck kommt.

Im Rahmen der Stellungnahmen der geladenen Parlamentarier verwies Matthias Zimmer auf den Koalitionsvertrag, worin sich CDU und SPD gegen einen Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verpflichten. Man wolle rechtswidrige Vertragskonstruktionen verhindern und Leiharbeit grundsätzlich beschränken. Er, Matthias Zimmer, wolle in dieser Frage Einvernehmen mit den Gewerkschaften erzielen. Es sei allerdings schwierig, die bisher am Einzelfall richterlich definierten Abgrenzungen zwischen legalen und illegalen Werkverträgen allgemeingültig in Gesetzesform festzuschreiben.

Ulli Nissen wandte sich entschieden gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit. Ihre Partei und sie persönlich wollen Betriebsräte und Personalräte über die relevante aktuelle Diskussion informieren. Sie forderte besseren gesetzlichen Schutz und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Lohndumping oder die Umwandlung regulärer Beschäftigung in Leiharbeit lehnte sie ab. Sie beklagte, dass ihre Partei gebunden durch die Vereinbarungen mit den Koalitionspartnern nicht weiter in Richtung gewerkschaftlicher Interessen gehen könne.

Jutta Krellmann stellte klar, dass es bisher nur den Entwurf eines Gesetzesentwurfes gäbe. Danach bliebe im Wesentlichen alles, insbesondere bei der Mitbestimmung, wie bisher. Auf Dauer müssten Werkverträge und Leiharbeit eingeschränkt werden, damit die prekären Arbeitsverhältnisse zugunsten der Dauerarbeitsverhältnisse wegfallen können. Leiharbeit dürfe nicht länger als drei Monate dauern, für Betriebsräte fordere sie ein zwingendes Mitbestimmungsrecht.

Omnid Nouripour erinnerte an die Ermöglichung von Werkverträgen und Leiharbeit durch die die Koalition unter Kanzler Schröder. Damals war damit die Absicht verbunden, sehr viel mehr arbeitslose Menschen wieder in Beschäftigung einzugliedern. Dieser Plan sei gescheitert, weshalb über Änderungen nachzudenken sei. Er will die Leiharbeit reformieren, den Missbrauch von Werkverträgen unterbinden, die Schein-Selbständigkeit verhindern und die Position der Beschäftigten stärken.

Die gewerkschaftlichen Teilnehmer forderten nachdrücklich, dass ihre Argumente im gesellschaftlichen und parlamentarischen Diskurs aufgenommen werden. Es könne nicht sein, dass die einflussreiche Arbeitgeber-Lobbyorganisation „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und die CSU-Landesgruppe im Bundestag gegen arbeitnehmerfreundliche Veränderungen an den Gesetzen Sturm laufe und damit längst überfällige und im Koalitionsvertrag festgeschriebene Verbesserungen verhindere. Ihre Diskussionsrunde sei dazu ein wichtiger Beitrag gewesen.

Philipp Jacks

DGB Region Frankfurt-Rhein-Main

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