Gentrifizierung in Offenbach

erstellt von Kritische Geographie Offenbach — zuletzt geändert 2023-02-06T15:23:16+02:00
Der große Offenbacher Getränke-Krieg ist ausgebrochen! - Oder: was Getränke und Gentrifizierung miteinander verbindet.

Gentrifizierung ist für die meisten ein abstraktes Wort und im Alltag nicht greifbar. Was aber greifbar ist, sind Veränderungen im Stadtbild. Oft sind es offensichtliche Dinge, wie steigende Mieten oder neue Fassaden. Aber auch neue Läden, wie Eisdielen und Babiershops.

Weniger bekannte (und langsamere) Indikatoren für Gentrifizierung sind die Aufwertung und Neubau von Spielplätzen & Radwegen. In Offenbach kann man nun live sehen, wie über bestimmte Getränke und Konsumentengruppen diskutiert wird. Eine spannende Diskussion. Aber von vorne:

Der Wilhelmsplatz ist in Offenbach der einzige Platz der seinen Namen verdient: ein richtiger Platz mit Aufenthaltsqualität.. Die Stadt hat hier auch viel investiert, das Gastronomiegewerbe verdient gut und der Wochenmarkt ist gut fürs Image. Alles perfekt also?

Doch jetzt passiert der Aufstand: Innerhalb weniger Tage kamen 2 Tage Artikel heraus, indem sich die Marktbeschicker beschweren: Es wird kaum mehr gekauft - nur noch konsumiert. Das Publikum verändert sich. Offenbach verändert sich.

„Diese Leute gehen am Ende des Tages mit einem Blattsalat im Beutel, aber drei Latte Macchiato im Bauch nach Hause.“ - das ist wirklich ein Zitat. Was hier kritisiert wird, ist nicht der Kaffee, es sind die Menschen. Menschen, die neu in Offenbach sind, und anders einkaufen. Wir sehen hier genau die Klientel, die die Stadt seit Jahren versucht anzulocken: Menschen die mehr Geld verdienen und höhere Bildungsabschlüsse haben und ein anderes Kosumverhalten. Der Markt wird noch gerne besucht - aber eben mehr als Kulisse und nicht um Leberwurst zu kaufen.

Ungefähr 250 m weiter gibt es auch eine Getränke-Diskussion. Hier geht es aber um Bier. Und zwar um zu viel Bier.

Wir zitieren komplett: "Nachdem sich die Situation aber Anfang September immer weiter zugespitzt hatte und die dort laut Polizei herumlungernden Gruppen aus Südosteuropa sogar ein Freiluftklo hinter einem Busch, direkt am Schulzaun der Erich-Kästner-Schule eingerichtet hatten, war das Maß für die Verantwortlichen im Rathaus wohl voll. Erneut stand das bis dahin eigentlich abgeschriebene Alkoholverbot wieder im Raum." Ja, der Rassimus wird hier ziemlich offen ausgetragen.

Natürlich geht es nicht um Bier. Es geht darum unerwünschte Personengruppen - die keine Orte oder Plätze in dieser Gesellschaft haben - über ihr Verhalten zu maßregeln. Statt Toiletten aufzustellen und Konsumorte zu schaffen, sollen sich bitte die Menschen in Luft auflösen.

Ein Latte Macchiato kostet erheblich mehr, als eine 0,5l Bierflasche und hat ein besseres Image. Saufen doch bitte nur, wenn es mit dem Bild eines Wasserhäuschens und Bembel passt.

In diesen scheinbar lustigen Debatten, haben wir alle 3 (Bevölkerungs-)gruppen, die Offenbach momentan bewohnen:
- die Migrantinnen, ohne eigene Lobby,
- die Marktbeschicker, die sich als Originale fühlen,
- die Weißwein Hipster, die Geld in die Stadt bringen.

Wir können auch Klassenkategorien aufmachen, um das Bild klarer zu machen:
- die ausgebeutete Arbeiterklasse, die ihr Feierabendbier genießen will,
- die Mittelschicht, die Angst ums Geschäft hat,
- die höhere Mittelschicht, sich sich abheben will.

An diesen Zeitungsdebatten sehen wir die ganz offenen Brüche der Gentrifizierung in Offenbach, die ansonsten unsichtbar abläuft: "saufende Osteuropäer bitte an den Stadtrand", Hipster ja, aber bitte nicht zu schnell. Wir wollen unser Image erhalten aber auch anders sein. Beide Orte liegen vielleicht 250-300 m auseinander, aber die Debatte und Ausgrenzung zeigt gut, dass die tatsächliche Grenze zwischen oben und unten, und nicht zwischen Wilhelmsplatz und Herrnstraße verläuft.

@KritischeGeoOF 5.2.2023