Frankfurt: Viel Wirbel um Rückzug von Ryanair

erstellt von Waldbesetzung-Blog — zuletzt geändert 2022-01-16T15:11:03+02:00
Anfang Januar verkündete die Fluggesellschaft Ryanair, ihre fünf in Frankfurt stationierten Flugzeuge zum Sommerflugplan abzuziehen und die Basis zu schließen. Dafür machte sie die Gebührenordnung von Fraport und das Corona- Krisenmanagement der Bundesregierung verantwortlich.

Der Beschluss aus der Konzernzentrale scheint recht kurzfristig gefällt worden sein – schließlich waren die Buchungsportale für die Angebote im Sommerflugplan bereits offen. Die eingegangen Zahlungen für die nun stornierten Flüge sollen rückerstattet werden.

Als Ryanair vor genau fünf Jahren startete, warb es mit Anzeigen wie „Lufthansa muss sich warm anziehen“ und schmiss mit Billiger- als billig-Schnäppchen um sich. Damals war die Rede davon, schon bald zwölf Maschinen in Frankfurt stehen zu haben und 2,3 Millionen Passagiere pro Jahr abzufertigen.

Das Ryanair nach Frankfurt kam, ging auf einen Deal mit Fraport zurück. Dort ärgerte man sich über die Geschäftspolitik der Lufthansa. Die wollte in Frankfurt weiterhin nur Lufthansa-Flüge anbieten und sich am Standort nicht selbst mit Eurowings-Low Cost-Flügen Konkurrenz machen.

Fraport wollte aber unbedingt am expandierenden Billigflugmarkt teilhaben – anders waren die Wachstumsziele nicht mehr umsetzbar. Da hatte man Ryanair als Ankermieter für das neue Terminal 3 im Visier, dessen Bau nun beschleunigt vorangetrieben wurde. Unsere Antwort war das Waldcamp Trebur. Es kam aber kaum offene politische Unterstützung aus den Umlandkommunen.

Ryanair wurde mit einem Neukundenrabatt gelockt. Der lief aber auf Beschluss von Fraport 2020 - pünktlich zu Corona - aus.

Die irische Fluglinie mit der Harfe im Logo gibt die Erhöhung der Flughafenentgelte um 4,3 Prozent zum Jahreswechsel als Grund für den Rückzug an. Das würde Verkehr und Arbeitsplätze „vertreiben“. Fraport verteidigt die Erhöhung als moderat und der Inflation und den gestiegenen Produktionskosten durch die Pandemie geschuldet.

Ryanair möchte, dass die Flughäfen den Airlines mit Sonderkonditionen entgegenkommen, um den Verkehr wieder anzukurbeln. Dabei geht es um nichts anderes als um verstärkte staatliche Subventionierungen mit Steuermitteln. Es ist zu hoffen, dass Provinzflughäfen wie Nürnberg da aus umwelt- und verkehrspolitischer Vernunft nicht mitziehen (dürfen). Hier ist auch das Land Bayern in der Pflicht. Auch wenn Ryanair-Abflüge einen Flughafen attraktiver machen. Der Preis ist zu hoch, wenn Ryanair nichts davon übernimmt. Fest steht: Ryanair schmeißt sein gutes Geld nicht schlechtem hinterher. Den Hahn wird sie nicht retten.

Zum anderen schimpft Ryanair auf die Bundesregierung – so wie die Linie auch auf die britische Regierung schimpft, weil sie sich benachteiligt fühlt.

Von Berlin verlangt sie „diskriminierungsfreie Verkehrsrückgewinnungsprogramme“. Das heißt, die Regierung soll die Erholung des gesamten Reisemarktes stimulieren und für einen Anstieg der Fluggastzahlen sorgen. Sie hätte in der Krise aber einseitig die Lufthansa subventioniert und denen auch noch den Arbeitsplatzabbau bezahlt.

Woran mag das liegen, dass Ryanair plötzlich nicht mehr so landet? Nun, die Konkurrenten haben gelernt. So bietet Lufthansa inzwischen Billigflüge nach Bulgarien an – ab Frankfurt. Die Digitalisierung und die Yield Management-Preisstrategie machen es möglich – billig sind natürlich nur kleine Kontingente im Voraus. Wer kurzfristig buchen muss, zahlt ein Vielfaches.
Ryanairs Warmwasser- und Kurzurlaubsziele wie Athen, Malaga, Mallorca , Bergamo oder Dublin sind in Coronazeiten nicht besonders systemrelevant ,sondern eher unerwünscht. Im Gegensatz zum Lufthansa-Jet nach Sofia, der Pflegehilfskräfte billig kurz nach Hause fliegt, um nach der Familie zu sehen. In Zeiten der Pandemiekontrolle und Klimaschutznachsorge schlägt das Pendel von der totalen Deregulierung der letzten zwei Jahrzehnte wieder in die Gegenrichtung zurück. Schlecht für einen betont unabhängigen Player wie Ryanair.

Die Reaktion in der Politik war eine gewisse Schadenfreude. Die gilt Bouffier und Al Wazir. Die wären mit ihrer Dumping-Strategie gescheitert. „Auf Nimmerwiedersehen, Ryanair“ sagt die Linke. Da sollte mensch sich aber nicht so sicher sein – im real existierenden Kapitalismus ist so einiges möglich, und gerade auch potentielle Linken WählerInnen mit schmalem Einkommen fliegen gerne billig.
Die regionale SPD PolitikerInnenschaft freut sich, dass es nun weniger Zeitüberschreitungen beim Nachtflugverbot über den Köpfen ihrer Wählerinnen gäbe. Aber die waren auch immer für eine neue Südbahn.

Die schnöde Wahrheit dürfte sein: Die SPD an der Regierung hätte Ryanair auch hofiert, wenn Fraport sie darum gebeten hätte. Aber gerade bei Fraport scheint es über die fünf Jahre Partnerschaft mit Ryanair zu einer gewissen Abkühlung des Verhältnisses gekommen zu sein.

Nun steht das Terminal drei da wie ein neuer großer Bungalow, dessen ErbauerInnen sich haben scheiden lassen und nicht einziehen werden. Ein Fall für die Mottenkugel, wenn nicht langfristig für die Abrissbirne. Aber bitte: Keine Wohnungen hinklotzen, lieber wieder aufforsten.

waldbesetzung.blogsport.de 11.1.2022