Einzelfallgenehmigungen für die Zerstörung geschützter Naturflächen müssen drastisch reduziert werden

erstellt von BUND Frankfurt — zuletzt geändert 2023-01-04T13:57:33+02:00
Die bevorstehende Teilrodung des Fechenheimer Waldes für den Lückenschluss der A661 zur A66 durch den Riederwaldtunnel ist umweltpolitisch nicht hinnehmbar. +++ Die Containerburg am Fechenheimer Wald zur Vorbereitung der Rodungen erscheint wie das Mahnmal einer rückwärtsgewandten Verkehrspolitik.

Der BUND Kreisverband Frankfurt fordert die Rücknahme der überdimensionierten Planung des Lückenschlusses zwischen der aus Hanau kommenden Autobahn A66 und dem Frankfurter Autobahnring A661, für den der vier- bis sechsspurige Riederwaldtunnel gebaut und drei Hektar des wertvollen Fechenheimer Waldes gerodet werden sollen. Dieser Wald ist Teil des geschützten Grüngürtels und wertvoller Lebensraum des FFH-geschützten Heldbockkäfers. Auch das Frankfurter Arten- und Biotopschutzkonzept ordnet diesem Wald eine „herausragende Bedeutung“ zu. Der BUND Frankfurt fordert dementsprechend, dass auch der aktuelle Plan der Autobahn GmbH, zunächst nur einen Teil des Fechenheimer Waldes zu roden, gestoppt wird.

Im vergangenen Sommer wurde das Vorkommen des Heldbockkäfers im Fechenheimer Wald nachgewiesen. Die Autobahn GmbH, Träger des Lückenschlussprojektes, schreibt in ihrem Gutachten[1] vom 15.12.2022: „Die fachgutachterliche Bewertung stellte fest, dass eine Verbreitung dieser Käferart inzwischen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und demnach im Rahmen des betrachteten Bauvorhabens theoretisch eine Gefährdung des Käfers nach § 44 BNatSchG (…) eintreten könnte.“ Angesichts der Unklarheit über das Ausmaß der Heldbock-Population - vor allem als Larven, die unsichtbar unter der Baumrinde leben, - folgert das Gutachten nachvollziehbar: „Eine kurzfristige Rodung der gesamten planfestgestellten Fläche ist innerhalb der Rodungsperiode 2022/23 nicht möglich.“

Gleichwohl glaubt die Autobahn GmbH, die Verbreitung des Heldbocks ließe sich lokal so eingrenzen, dass ein „konfliktfreier“ Streifen für die Bauzufahrtsstraßen schon jetzt gerodet werden könne. Dafür würden angeblich keine als Lebensraum für die Käfer geeigneten Bäume gefällt. Dieser Meinung hat sich nun die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidenten in Darmstadt ohne weitere Prüfung angeschlossen.

Dem widerspricht der BUND Frankfurt. Im Gutachten wird einerseits die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung der gesamten Fläche des Waldes hervorgehoben, andererseits aber behauptet, die sofortige Rodung einer Teilfläche für die Bauzufahrtsstraßen sei hinsichtlich des Lebensraumes der Heldbockkäfer „konfliktfrei“. Das ist widersprüchlich. Wenn eine solche Schneise durch den Lebensraum der Käfer geschlagen würde, wie wäre dann zu verfahren, wenn die für kommenden Sommer angesetzte umfassende Untersuchung ergäbe, dass diese Schneise doch eine Verletzung des Lebensraumes bewirkt hat? Zum Beispiel, weil dadurch neue Waldränder geschaffen werden, die die Lebensraumbedingungen für Flora und Fauna veränderten. Ein Zurück gäbe es dann nicht mehr. Das wäre ein typischer Fall für die Schaffung vollendeter Tatsachen und umweltpolitisch nicht hinnehmbar. Deshalb muss die geplante Teilrodung ausgesetzt werden.

Die Containerburg: ein Fanal der Nichtbeachtung der Klima- und Biodiversitätskrise

Die Rodung der Gesamtfläche von drei Hektar des Fechenheimer Waldes wird auf der Basis einer Genehmigung als Einzelfall gemäß §45 Bundesnaturschutzgesetz geplant. Die Behörden unterstellen, dass für solche Maßnahmen die vom Gesetz geforderten „zwingende(n) Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ vorliegen. Aber solche Genehmigungen werden doch bei fast allen größeren Verkehrsprojekten erteilt. Können das dann noch Einzelfälle in Bezug auf die Verletzung von Arten- und Klimaschutz sein?

Der BUND Frankfurt widerspricht dieser Praxis. Es gibt beispielsweise eine 30-seitige Studie des Frankfurter Bündnisses Verkehrswende[2] mit dem Titel: „Alternativen zur Autobahnplanung im Frankfurter Osten“. Darin wird vorgeschlagen, eine der beiden Fahrbahnen der A66 vom Hanauer Kreuz bis nach Frankfurt zu einer Bundesstraße umzuwidmen. Die andere Fahrbahn könnte für die Verlängerung der U4 nach Maintal genutzt oder rückgebaut werden. Die Folge wäre eine deutliche Verlagerung des Verkehrs – besonders des Pendelverkehrs - von der Straße auf die Schiene.

Andererseits, welche den Klima- und Verkehrszielen entgegenstehende Entwicklung ist zu befürchten, wenn die monströse Planung des A66-A661-Lückenschlusses mit dem vier- bis sechsspurigen Riederwaldtunnel realisiert würde. Wie allseits bekannt, generieren neue Straßen neuen Verkehr. Der Riederwaldtunnel würde also den individuellen motorisierten Verkehr nach und um Frankfurt steigern und neue Verkehrsprobleme schaffen. Der Autobahnring sowie A3 und A5 müssten erweitert werden, die A5 von Friedberg bis südlich von Darmstadt einer Machbarkeitsstudie der Autobahn GmbH zufolge auf 8 oder gar 10 Spuren. 300 Hektar Wald müssten dort gerodet werden. So ginge das immer weiter.

Wo soll das hinführen? Wie wollen die Politiker noch ernst genommen werden, wenn alle Ziele zur Überwindung von Klima- und Biodiversitätskrise – man spricht auch von Zwillingskrise – mit solchen Verkehrsprojekten konterkariert werden? Wie lange wollen wir noch diese seit Jahrzehnten geplanten Projekte realisieren, die dem längst verworfenen Ziel der autogerechten Stadt folgen? Wie jüngst in der FAZ[3] zu lesen war, hat die Grüne Jugend in Hessen bereits gefordert, den Riederwaldtunnel nicht mehr zu bauen. Ist das ein Durchbruch im Sinne des Artikels 20a unseres Grundgesetzes, demzufolge das gegenwärtige politische Handeln zukünftigen Generationen keine unzumutbaren Lasten aufbürden darf?

[1]  www.tunnelriederwald.de/aktuelles/fachgutachterliche-bewertung-zum-vorkommen-des-heldbockkaefers-im-fechenheimer-wald-liegt-vor/

[2]  Willi Loose u. a.: „Alternativen zur Autobahnplanung im Frankfurter Osten“ vom Frankfurter Bündnis Verkehrswende (Mitglieder: AUA, BUND Frankfurt, Bürgerinitiative Riederwald, Frankfurt 22, Greenpeace, VCD Rhein Main, Bürgervereinigungen Seckbach und Nordend). Mai 2022. Kontakt: dirk.friedrichs@attac.de

[3]  FAZ vom 29.12.2022 „Der Nachwuchs fordert die Etablierten heraus“ www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/hessens-gruene-jugend-kritisiert-die-politik-des-establishments-18563229.html?premium

Pressemitteilung 4.1.2023