Eins ist auch bei dieser Wahl sicher: Niedriglohn und Armut bleiben … wenn wir uns nicht gemeinsam dagegen wehren!

erstellt von zusammen e.V. — zuletzt geändert 2021-09-25T21:37:14+02:00
Zur „Anhebung“ der Regelsätze und zur Bundestagswahl

Zur “Anhebung” der ALG II-Regelsätze

Der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat kurz vor der Bundestagswahl die Erhöhung der Regelsätze für ALG II (Hartz IV) bekannt gegeben. Sie beträgt drei Euro für Erwachsene und zwei Euro für Kinder. Damit ist es in Wirklichkeit eine Absenkung, denn die Preise steigen seit einiger Zeit stark an, insbesondere für Lebensmittel und Strom. Das sind zwei wichtige Ausgabe-Posten in den Haushalten der Lohnabhängigen, ob Erwerbslose, Aufstocker oder Niederiglohn-Arbeiter.

Regelsatz +0,67%, Butter +5%, Gemüse +9%

Der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene, der sogenannte Eck-Regelsatz, soll ab 2022 449 Euro betragen. Das ist eine Steigerung gegenüber 2020 von nicht einmal 1%. Die Preissteigerungen sind aber viel höher. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke waren im August 2021 im Vergleich zu August 2020 um 4,5% teurer, insbesondere Gemüse (9%) und Fleisch (3,5%), Molkereiprodukte und Eier (+5,0 %). Ebenfalls teurer ist Strom, der aus dem Regelsatz bezahlt werden muss – er kostet 1,7% mehr als 2020. Aber auch Bekleidung und Schuhe kosten mit 3,5% deutlich mehr als vor einem Jahr. Die Preise für Verkehr sind ebenfalls angestiegen. Diese deutlichen Preisanstiege halten bereits seit Juni 2021 an.

Die Preise vor allem für Lebensmittel steigen weiter an

Diese Entwicklung hat aber schon 2020 begonnen. Verbraucher mussten 2020 für frische Lebensmittel 4,2 Prozent mehr zahlen als 2019. Mit der vorübergehenden Absenkung der Mehrwertsteuer sanken die Preise etwas. Aber durch die Rücknahme dieser Absenkung und der zusätzlichen Einführung der CO2-Steuer Anfang 2021 stiegen die Preise wieder deutlich. Schlechte Ernährung wird zunehmen, weil Familien am Essen sparen müssen.

Die Ausrede des Ministers

Die Neuberechnung des ALG II-Regelsatzes basiert zu 70% auf der Preis- und zu 30% auf der Lohnentwicklung. Da letztes Jahr die Löhne gesunken sind und die Preise nur zwischenzeitlich gestiegen sind, fällt die Anhebung so gering aus. Diese Ausrede nutzt der Minister, um für über Millionen Empfänger von Grundsicherung die Armut zu vertiefen. Die Berechnungsgrundlage auch bisher schon dazu geführt hat, dass der Regelsatz niedrig bleibt. Der Gesetzgeber könnte das natürlich ändern, wenn er will – aber: Die Bundesregierung will niedrige Regelsätze. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und andere Organisationen fordern 600 Euro – das wäre ein erster Schritt, um zu einem tatsächlichen Existenzminimum zu kommen.

Die meisten von Armut Betroffenen haben Arbeit

Mit der Entscheidung des Arbeitsministers wird die Armut weiter steigen und vor allem der Niedriglohnsektor groß bleiben. Bereits 2020 hatte die offizielle Armut mit 15,9% einen Rekord erreicht, 13 Millionen Menschen waren betroffen. Seit 2020 hat die Arbeitslosigkeit zugenommen und die Reallöhne – also das, was man effektiv in der Tasche hat – sind gesunken. Viele Beschäftigte haben entweder ihren Job verloren oder mussten über längere Zeit von deutlich niedrigerem Kurzarbeitergeld leben. Vor allem in der Industrie wurde mit Entlassungen vor allem von einfachen, angelernten Arbeitern begonnen.

Der Niedriglohnsektor ist weiterhin sehr groß – mehr als 6 Millionen Menschen arbeiten für sehr niedrige Löhne, das sind mehr als 20% der abhängig Beschäftigten. Am wenigsten Einkommen haben Erwerbslose und sie sind deshalb besonders für schlechte Arbeit erpressbar. Laut Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sind über 30% aller von Armut betroffenen beschäftigt. Es sind also zwei zusammenhängende Probleme: Die niedrigen Löhne und die schlechten Arbeitsverhältnisse sowie die niedrigen Hartz IV-Regelsätze und die Erpressung in Leiharbeit und Niedriglohn.

Auch ein Mindestlohn von 12 Euro ist zu wenig

Durch den lächerlich niedrigen Mindestlohn, der aktuell bei 9,60 Euro brutto liegt und bis Juli 2022 auf 10,45 Euro brutto ansteigen soll, sowie durch den bereits viel zu niedrig angesetzten Regelsatz, der immer nur sehr gering ansteigt, wird die Armut zementiert. Nun versprechen SPD und Grüne einen Mindestlohn von 12 Euro. Auch das wäre noch zu wenig, da nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsleistungen der Lohn immer noch sehr niedrig wäre und in den Großstädten nicht ausreichen würde für Lebenshaltungskosten und Miete.

Es ist davon auszugehen, dass selbst wenn es dazu kommen sollte, es einige Zeit dauern würde. Das könnte die lange Zeit des viel zu niedrigen Mindestlohns nicht wettmachen und liefe auf das hinaus, wo es ohnehin eine Untergrenze geben müsste. Es ist also ein einfaches Versprechen, das nicht viel kostet. Niedrige Regelsätze und Mindestlöhne üben Druck auf das gesamte Lohngefüge aus. Sie definieren das „Existenzminimum“ und damit die untere Grenze. Wenn diese aber in Wirklichkeit unter dem Existenzminimum liegt, also zu Armut und Verelendung führt, dann wirken sie wie ein Bleigewicht auf die Löhne, insbesondere der einfachen, wenig qualifizierten Arbeiter.

Alle Bundestags-Parteien sind Lohnsenkungs-Parteien

Diese Politik setzen seit Jahrzehnten alle Parteien um. CDU und FDP sowie die AfD sind ohnehin Parteien, die klar und offen die Interessen der Unternehmer vertreten. Bei SPD, Grünen und Linkspartei ist die Rhetorik und die Forderungen anders. Was am Ende bei rauskommt, ist aber mindestens genau so schlimm. SPD und Grüne hatten mit den „Hartz-Reformen“ die Leiharbeit massiv ausgeweitet, Minijobs eingeführt und das Existenzminimum insbesondere für Kinder drastisch abgesenkt und Erwerbslose zur Aufnahme jeder Arbeit gezwungen. CDU und FDP applaudierten und die Linkspartei setzte die Maßnahmen in den Bundesländern, in denen sie mitregierte, fleißig um und sie ist bereit, mit SPD und Grünen auf Bundesebene zu regieren. Die AfD will noch schlimmere Maßnahmen gegen Arbeiter und Arbeitslose und hetzt gegen migrantische Arbeiter und will spalten, um die Arbeiter zu schwächen.

Wir müssen uns zusammenschließen

Den vollmundigen Versprechen der Parteien für eine bessere Zukunft dürfen wir nicht glauben – sie sorgen nur dafür, dass die Unternehmen und die Reichen eine rosige Zukunft haben und das geht nur auf unsere Kosten. Alle diese Parteien sorgen dafür, dass die Armut bleibt, damit die Löhne niedrig und die Profite der Unternehmen hoch bleiben. Dagegen müssen wir uns wehren und uns zusammenschließen. In den Betrieben und Gewerkschaften und in der Nachbarschaft müssen wir uns zusammentun, gemeinsam gegen niedrige Löhne, hohe Mieten, schlechte Lebensbedingungen und auch gegen falsche Versprechen kämpfen.

Pressemitteilung 24.09.2021