Eine antifaschistische Bilanz des 1. Mai in Europa
Am Mittwoch fanden in vielen Ländern der Erde Aktionen zum Internationalen Kampftag der Arbeiterbewegung statt. Erneut zeigten die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft, dass die Verteidigung der sozialen und demokratischen Rechte für alle Menschen ein wichtiges Anliegen sein muss.
In vielen südeuropäischen Ländern, wie in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, gab es erneut Massendemonstrationen der Gewerkschaftsorganisationen, in denen die Forderungen sich nicht allein auf soziale Verbesserungen und Arbeitsbedingungen konzentrierten, sondern die Verteidigung der antifaschistischen Ideale und die Forderung nach internationalen Frieden durch Verhandlungen, statt Waffenlieferungen und Eskalation als Teil gewerkschaftlicher Strategie propagiert wurde.
So forderte die größte französische Gewerkschaft CGT in ihrem Mai-Aufruf: „Die israelische Besatzung und die Massaker in den palästinensischen Gebieten müssen beendet werden". Meist standen jedoch soziale Forderungen und Verbesserungen der Lebensbedingungen im Mittelpunkt der gewerkschaftlichen Aktionen.
Italienische Gewerkschaften forderten einen Sozialpakt für eine echte politische, soziale und wirtschaftliche Integration, ein „Europa der Solidarität", das die „Würde der Arbeit" über alles stellt. Gleichzeitig erinnerten sie an die antifaschistischen Wurzeln der Gewerkschaften. PAME legte in Athen Kränze an antifaschistischen Gedenkstätten nieder.
In europäischen Regionen, in denen die Gewerkschaftsbewegung schwach aufgestellt ist, war aber auch zu erleben, wie die extreme Rechte an diesem 1. Mai versuchte, die soziale und politische Unzufriedenheit der Menschen für ihre nationalistische und rassistische Propaganda auszunutzen. So gab es Aufmärsche der extremen Rechten in verschiedenen europäischen Ländern an diesem Feiertag der internationalen Arbeiterbewegung. In mehreren Städten im östlichen Teil der BRD organisierten die AfD und andere faschistische Kräfte Kundgebungen, Mai-Feste und kleine Aufmärsche als Teil ihres Europawahlkampfs.
Gleichzeitig war der Umgang mit dem 1. Mai ein Zeichen für die politische Wirklichkeit in den jeweiligen Ländern. In Istanbul verhinderte ein Großaufgebot von 42.000 Polizisten, dass Gewerkschaften und linke Parteien ihre Maikundgebung auf dem symbolträchtigen Taksim-Platz abhalten konnten. Der Demonstrationszug, an dessen Spitze Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu mitlief, wurde von der Polizei gestoppt. Tränengas und Gummigeschosse kamen zum Einsatz. Die Gewerkschaftsdachverbände DISK und KESK erklärten schließlich, nicht mehr zu versuchen, auf den Platz zu gelangen. Zwar hatte im vergangenen Jahr ein Gericht die Sperrung des Platzes für unrechtmäßig erklärt, das hinderte die Regierung jedoch nicht auch in diesem Jahr ein Demonstrationsverbot auszusprechen.
Auch in der Ukraine waren alle Aktionen in Odessa verboten zur Erinnerung an das Massaker vom 2. Mai 2014, wo faschistische Kräfte des „Rechten Sektors" unter den Augen der damaligen Sicherheitskräfte das Gewerkschaftshaus gestürmt hatten, Kritiker des „Euromaidans" gewalttätig angriffen und fast fünfzig Menschen töteten. Regelmäßig zum Jahrestag wird der Platz vor dem Gewerkschaftshaus für Besucher gesperrt, damit niemand dort etwa Blumen ablegen kann. Dennoch gab es vereinzelt symbolische Erinnerungszeichen, die aber schnell wieder von der Polizei entfernt wurden.
In Frankreich kam es am 1. Mai in mehreren Städten zu gewalttätigen Übergriffen der Polizei gegen gewerkschaftliche Maidemonstrationen. In Paris, wo sich Zehntausende versammelten, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen palästinasolidarischen Gewerkschaftern und der Polizei, die noch vor Beginn der Demos 25 Personen festnahm. In Lyon setzte die CRS Tränengas und Wasserwerfer ein, um Demonstranten zu zerstreuen.
Einsätze der Polizei gab es auch in der BRD, wobei sie diese Aktionen nicht gegen die Gewerkschaftskundgebungen richteten, sondern gegen autonome Maidemonstrationen beispielsweise in Hamburg, Berlin und Stuttgart. Dort wurde eine Demonstration „gegen Sozialabbau" und „für eine solidarische Gesellschaft" mit mehreren tausend Teilnehmenden von der Polizei aufgelöst.
Für uns als Antifaschisten sind die gewerkschaftlichen Aktionen zum 1. Mai von großer Bedeutung. Zeigen sie doch die gesellschaftliche Kraft für eine demokratische, sozial gerechte und friedliche Entwicklung in den jeweiligen Ländern. Die FIR hat mit Zufriedenheit registriert, dass viele Mitgliedsverbände zu diesen Aktionen aufgerufen haben und in lebendigem Kontakt zu den gewerkschaftlichen Organisationen stehen.
FIR Newsletter 2024-18 dt vom 3.5.2024