Bordell-Urteil im Saarland: Denkzettel für die Politik!

erstellt von Doña Carmen e.V. — zuletzt geändert 2020-08-11T19:18:40+01:00
Doña Carmen fordert Kehrtwende auch in übrigen Bundesländern!

Doña Carmen e.V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, begrüßt das heutige, nicht mehr anfechtbare Urteil des saarländischen Oberverwaltungsgerichts. Es hat entschieden, dass das generelle Verbot des Betriebs von Bordellen und damit auch die eklatante Ungleichbehandlung sexueller Dienstleistungen gegenüber anderen „körpernahen Dienstleistungen“ in der saarländischen Corona-Verordnung dem Grundrecht auf Berufsfreiheit widersprechen.

 Die Corona-Verordnung des Saarlands ist damit in diesem Punkt gekippt und die dortige Landesregierung verpflichtet, die Corona-Verordnung diesbezüglich zu ändern.

 Das heutige Urteil eines Oberverwaltungsgerichts ist eine Kehrtwende in der bisher gegen Prostitution gerichteten Rechtsprechung und kassiert ein vorheriges Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlands. Es widerspricht zudem ähnlich prostitutionsfeindlichen Urteilen in anderen Bundesländern in dieser Angelegenheit. 

Doña Carmen e.V. fordert eine entsprechende Kehrtwende auch in den anderen fünfzehn Bundesländern!

 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Betrieb von Prostitutionsgewerben – Prostitutionsstätten, Prostitutionsvermittlungen, Prostitutionsfahrzeuge – in sämtlichen Bundesländern aufgrund der aktuell geltenden Corona-Verordnungen verboten. In sechs Bundesländern – darunter das Saarland – ist auch der Kauf und

Verkauf sexueller Dienstleistungen jenseits von Prostitutionsstätten ausdrücklich untersagt.

Bekanntlich führt das zu einer Verdrängung von Sexarbeit in einen informellen Sektor, in dem Kauf und Verkauf sexueller Dienstleistungen unter weitaus schlechteren hygienischen Bedingungen stattfindet, als dies in regulären Prostitutions-Etablissements der Fall wäre.

 Die Verantwortung für diese fatale Entwicklung trägt eine durch Vorbehalte gegenüber Prostitution verblendete Exekutive, die unter dem Vorwand des Schutzes vor Corona glaubt, Prostitution ins gesellschaftliche Abseits drängen zu können.

 Diese prostitutionsfeindliche Politik verletzt nicht nur unverhältnismäßig die Grundrechte von Sexarbeiter/innen und der Betreiber/innen von Prostitutions-Etablissements, sondern erreicht gesundheitspolitisch das genaue Gegenteil von dem, was sie vorgibt erreichen zu wollen.

 Zwölf der sechzehn deutschen Bundesländer – darunter das Saarland – müssen noch im August 2020 die bestehenden Corona-Verordnungen fortschreiben und stehen damit vor der Entscheidung, wie sie weiter mit Prostitution umzugehen gedenken. Die Verordnungen in Baden-Württemberg und Hessen haben den Betrieb von Prostitutionsgewerben gar bis Ende September bzw. Ende Oktober 2020 untersagt.

 Es bleibt zu hoffen, dass die heutige Entscheidung der saarländischen Verwaltungsrichter, die der Politik einen Denkzettel verpasst haben, in die anstehende Fortschreibung der Corona-Verordnungen einfließen wird.

Wer verhindern möchte, dass das Saarland jetzt ein bundesweit exklusiver Prostitutions-Hotspot wird, sollte die Weitsicht aufbringen und auch in den übrigen Bundesländern für tragfähige Lösungen sorgen, die den Grundrechten von Sexarbeiter/innen Rechnung tragen.   

 Andernfalls werden die Proteste von Sexarbeiter/innen gegen die Corona-Exekutive der Bundesländer weiter um sich greifen. So ruft Doña Carmen e.V. bundesweit für den 19. September 2020 in Frankfurt/Main unter dem Motto „Grünes Licht fürs Rotlicht“ zu einer Kundgebung und Demonstration für die Rechte von Sexarbeiter/innen auf.

 Es liegt an der Politik, die momentan bestehende fatale rechtlich Ungleichbehandlung von Sexarbeit gegenüber andern „körpernahmen Dienstleistungen“ und deren weitere Abdrängung in einen informellen Sektor endlich einen Riegel vorzuschieben. Nicht irgendwann, sondern jetzt!

Doña Carmen e.V., Pressemitteilung, 6. August 2020