„Bleiben Sie zuhause!“: Menschenunwürdige Wohnunterbringung geflüchteter Familien in Zeiten von Corona

erstellt von Mieter helfen Mietern — zuletzt geändert 2020-04-08T12:51:46+02:00
In Anbetracht der Corona-Krise wird die Wohnung zum Rückzugsort und Schutzraum vor Infektionen.

Allerdings wird vielen Menschen der Zugang zu menschenwürdigem Wohnraum verwehrt. In Frankfurt sind 1000 Geflüchtete in Übergangswohnungen und Hotels untergebracht. 110 Personen leben noch in Notunterkünften. Zahlreiche geflüchtete Familien sind betroffen. Für sie bedeutet die Unterbringung nicht nur Isolation und Ausgrenzung. Die beengten Wohnverhältnisse führen in Zeiten des Kontaktverbotes zu extremen psychischen Belastungen. Angst, Hilflosigkeit und Stress sind unter diesen Umständen sehr ausgeprägt. Zwei besonders schwerwiegende Fälle sind den Vereinen infrau e.V., DaMigra e.V. sowie Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V. zur Kenntnis gekommen. In dem Versuch diesen Familien zu helfen, wandten sich Vertreterinnen der Vereine in einem Schreiben vom 20.11.2019 an die zuständige Sozialdezernentin Prof. Dr. Birkenfeld, die aber keine Unterstützung signalisierte. Ihr Umgang mit der Situation offenbart die anhaltende Ignoranz gegenüber dem Problem der Wohnunterbringung von (anerkannten) Geflüchteten durch die Verantwortlichen der Stadt. Wir setzen uns für ein Recht auf Wohnen für alle hier lebenden Frankfurter/innen ein und fordern die Stadt zur umgehenden Unterbringung geflüchteter Familien in leerstehenden Gebäuden und Hotels auf.

Beide Familien, die uns von ihrer Wohnsituation berichtet haben, stammen aus Syrien und sind für den Aufenthalt in Frankfurt dauerhaft berechtigt. Frau Adel (1) wurde zunächst mit ihrer neunköpfigen Familie in einer umfunktionierten Turnhalle untergebracht, in der sie ein Jahr lang lebten. Im September 2019 wurde der Familie mit Kindern im Alter von vier bis achtzehn Jahren eine Gemeinschaftsunterkunft im Gutleut zugewiesen. Mit insgesamt neun Personen bewohnt die Familie zwei Räume mit einer Gesamtgröße von lediglich 32 m², die weder Rückzugs- noch Kochmöglichkeiten bieten. Der Vater leidet an Epilepsie und hat vier Operationen hinter sich. Die Gemeinschaftsküche, die sich in einem anderen Gebäude befindet, sowie die sanitären Anlagen, die lediglich sieben Gemeinschaftsduschen für insgesamt zehn Familien umfassen, machen den Familienalltag in Zeiten der COVID-19 Pandemie unzumutbar. Im Fall von Familie Zaidan (2) steht trotz des Wechsels von einem Hotelzimmer in Bornheim- Mitte in eine Unterkunft in Hausen nur wenig Platz zur Verfügung. Die Familie mit Kindern im Alter von viereinhalb, sieben und neun Jahren teilt sich zu fünft zwei Zimmer. Im Wohnkomplex müssen sich 150 Personen zehn Waschmaschinen teilen. Diese Situation wird keineswegs den Bedürfnissen einer Familie gerecht und kann somit lediglich eine Zwischenlösung darstellen.

Diese Fälle illustrieren, wie schwer das Recht in Frieden, Würde und Gesundheit leben zu können durch eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften missachtet wird. Da für beide Familien, die Anspruch auf eine Sozialwohnung der Dringlichkeitsstufe 1 haben, die beengten Wohnverhältnisse nicht länger haltbar sind und die Nutzung von Gemeinschaftsräumen ein erhöhtes Infektionsrisiko darstellt, wenden sie sich mit diesem Schreiben sowie der Unterstützung von infrau e.V., DaMigra e.V. und Mieter helfen Mietern e.V. noch einmal an Frau Birkenfeld und fordern eine sofortige Alternativunterbringung in angemessene und größere Wohnverhältnisse. Frau Adel und ihrer Familie muss umgehend ein Umzug in eine Vier-Zimmer-Wohnung mit mindestens 90 m² ermöglicht werden.
Frau Zaidan benötigt mit ihrer Familie eine Vier-Zimmer-Wohnung mit mindestens 80 m². Darüber hinaus fordern wir eine unverzügliche Unterbringung aller geflüchteter Familien in eigene Wohnungen inkl. Eigener Küche und eigenem Bad.

Um eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten, müssen leerstehende Gebäude und Hotels von der Stadt mit sofortiger Wirkung für geflüchtete Familien zur Verfügung gestellt werden, z.B. die Wohnungen in der Jordanstr. 3, die sich in städtischer Hand befinden. Während der Corona- Pandemie ist angemessener Wohnraum für die körperliche und seelische Gesundheit wichtiger denn je. Menschenrechte müssen zu jeder Zeit – auch in Krisenzeiten – gewahrt bleiben. Und die Stadt steht in der Verantwortung.

(1) Name wurde geändert; (2) Name wurde geändert

Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V., Pressemitteilung, 8. April 2020