Betriebsrätestärkungsgesetz: Frankfurter DGB-Vorsitzender fordert CDU-MdBs zum Handeln auf

erstellt von DGB Frankfurt — zuletzt geändert 2021-02-23T12:17:12+01:00
“Setzen Sie sich ein für Grundrechte und Mitbestimmung!“

Der DGB fordert die für die Stadt Frankfurt gewählten CDU-Bundestagsabgeordneten auf, ihre Blockadehaltung gegenüber des Betriebsrätestärkungsgesetzes aufzugeben. „Die CDU/CSU verhindert den Schutz von Betriebsratsgründungen und des Grundrechts auf Mitbestimmung. Sie lehnt einen Gesetzentwurf ab, mit dem der Kündigungsschutz von Beschäftigten gestärkt werden soll, die sich für die Wahl eines Betriebsrates in ihrem Betrieb engagieren“, so der Frankfurter DGB-Vorsitzende Philipp Jacks.

Den Schutz für Beschäftigte brauche es dringend, denn aktuelle Studien der Hans-Böckler-Stiftung zeigten, dass jede sechste Wahl in Betrieben, die noch keinen Betriebsrat hatten, mit illegalen Mitteln behindert wird. Häufig würde Beschäftigten, die einen Betriebsrat gründen wollen, gekündigt. Damit wehrten die Arbeitgeber Neugründungen bereits im Ansatz ab. „Es ist ein Skandal, dass Beschäftigte, die vom Recht einer Betriebsratsgründung Gebrauch machen, Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren“, kritisiert der Frankfurter DGB-Vorsitzende. Mit der Nicht-Umsetzung des Betriebsrätestärkungsgesetzes würde Menschen, die sich für ihre in der Verfassung garantierten Rechte einsetzen, der notwendige Schutz verwehrt.

„Wir brauchen nicht weniger, sondern deutlich mehr Mitbestimmung! Das gilt aktuell in der schwierigen Phase der Pandemie, aber natürlich auch dauerhaft für die Zukunft. Unsere Antwort auf Demokratieverdrossenheit muss mehr Demokratie, und nicht weniger sein. Wenn Arbeitgeber demokratische Rechte mit illegalen Mitteln verhindern, darf das nicht ungesühnt bleiben. In der Pandemie sei es aber auch wichtig, dass Gewerkschaften zusätzlich zum bestehenden realen Zugangsrecht auch ein digitales Zugangsrecht bekommen, so Jacks. „Gewerkschaften sind Mitgliederorganisationen. Nur mit einem gesicherten Zugang zu den Beschäftigten können wir unsere Aufgaben wahrnehmen, die Rechte und Interessen der Beschäftigten durchsetzen und für gute Arbeit kämpfen.“ 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern, das Betriebsrätestärkungsgesetz schnellstmöglich, und wie im Referentenentwurf von Minister Heil vorgesehen, auf den Weg zu bringen.

DGB Region Frankfurt-Rhein-Main, Pressemitteilung, 22. Februar 2021



Offener Brief, 19. Februar 2021

Betriebsrätestärkungsgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Pandemie hat die Unternehmen und vor allem die Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte vor große Herausforderungen gestellt und tut es immer noch. Sie hat gleichzeitig deutlich gemacht, wie gut und wertvoll unser Modell der Mitbestimmung funktioniert, wie flexibel und konstruktiv gute Vereinbarungen quasi aus dem Boden gestampft und in den Betrieben umgesetzt wurden, von Regelungen zum Kurzarbeitergeld oder zur mobilen Arbeit bis zum Infektionsschutz.

Mit dieser Erfahrung müsste es eine Prämisse politischen Handelns sein, das Modell der sozialpartnerschaftlichen Kooperation und der betrieblichen Demokratie zu stärken. Zumal auf unser Land neue und nicht minder große Herausforderungen zukommen, von der digitalen Transformation über den klimaneutralen Umbau unserer Industrie bis hin zum verschärften Wettbewerb auf den Weltmärkten.

In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD unter anderem darauf verständigt, die Wahl von Betriebsratsgremien zu erleichtern. Das wäre ein erster und notwendiger Schritt, die betriebliche Mitbestimmung zukunftsgerecht weiterzuentwickeln und die Gründung von Betriebsräten vor leider zunehmenden Angriffen zu schützen.

Die ursprünglich für den 10. Februar 2021 geplante Beratung des Betriebsrätestärkungsgesetzes wurde aufgrund der kategorischen Ablehnung seitens Ihrer Partei, der CDU (CSU), wieder von der Tagesordnung des Kabinetts genommen.

Einer der zentralen Punkte des Betriebsrätestärkungsgesetzes ist die Absicherung eines seit langem bestehenden demokratischen Grundrechts, nämlich der Wahlfreiheit oder genauer: der Freiheit, ohne Eingriff durch einen Dritten, insbesondere den Arbeitgeber, einen Betriebsrat wählen zu können. Und diese Absicherung ist leider absolut notwendig, denn immer häufiger wird die Ausübung dieses Grundrechts verhindert. Aktuelle Studien der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass jede sechste Wahl in Betrieben, die noch keine Interessenvertretung hatten, mit illegalen Mitteln behindert wird. Diese Behinderung verstärkt den ohnehin negativen Trend bei Betriebsräten. 2019 waren laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit nur noch 41 Prozent der westdeutschen und 36 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben mit Betriebsrat tätig.

Wahlinitiatoren sind bei Betriebsratsgründungen besonders gefährdet. Häufig greifen Arbeitgeber, die keinen Betriebsrat wollen, zum Instrument der Kündigung und wehren Neugründungen bereits im Ansatz ab. Oft reicht schon die Einschüchterung der Belegschaften – auch in unserer Region gibt es dafür zahlreiche Beispiele. Es ist ein Skandal, dass Beschäftigte, die vom Recht einer Betriebsratsgründung Gebrauch machen, Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Deshalb bedarf es des besonderen Schutzes derjenigen, die ganz am Beginn einer Betriebsratsgründung aktiv werden. Mit der Nicht-Umsetzung des Betriebsrätestärkungsgesetzes wird diesen Menschen der notwendige Schutz verwehrt.

Darüber hinaus ist mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften sicherzustellen. Mit dieser Möglichkeit des Zugangs in die Unternehmen und zu den Beschäftigten sind wir in der Lage, weiterhin die durch die Koalitionsfreiheit garantierten Aufgaben uneingeschränkt wahrnehmen zu können.

Auch in diesem Fall geht es nicht um eine Ausweitung, sondern um die Durchsetzung eines Grundrechts in der Arbeitswelt unter veränderten Bedingungen.

Umso unverständlicher ist es, dass gerade eine Partei, zu deren Selbstverständnis das Bekenntnis zu einer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie gehört, diese geplante Stärkung von Grundrechten zu verhindern sucht. Damit wird nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung einer der grundlegenden Säulen unserer sozialen Marktwirtschaft, der betrieblichen Mitbestimmung, betrieben.

Wir bitten Sie daher sehr nachdrücklich, Ihren Einfluss geltend zu machen und gemeinsam mit uns dafür einzutreten, dass dieses wichtige Gesetzesvorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird – damit wir als Gewerkschafter*innen und Betriebsrät*innen weiterhin Standards für Gute Arbeit setzen können, in Krisenzeiten und darüber hinaus.

Wir erwarten ein klares Signal des Respekts gewerkschaftlicher Mitgestaltung und Mitbestimmung von der Politik.

Wir brauchen nicht weniger, sondern deutlich mehr Mitbestimmung!

Wir bitten Sie, setzen Sie sich gemeinsam mit uns dafür ein diese wichtigen Mitbestimmungsthemen im Betriebsräte-Stärkungsgesetz umzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Philipp Jacks