„Atombomben müssen geächtet und verboten werden !“

erstellt von Friedens- und Zukunftswerkstatt — zuletzt geändert 2017-08-10T17:20:47+01:00
Rede, die Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein (IPPNW) am 6. August 2017 vor der Paulskirche gehalten hat

Gedanken zum 6. und 9. August 1945 und 20. Juli 1944.

Meine Damen und Herren, heute am 6. August gedenken wir vor der historischen Paulskirche der Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und am 9. August auf Nagasaki. Vor wenigen Tagen, am 20.Juli, gedachte Frankfurt des Jahrestages des Umsturzversuchs gegen Hitler 1944. Warum diese Gedenktage?

Weil wir Menschen und insbesondere die Jugend zu leicht vergessen, was es bedeutete, in einem „totalen Krieg“ und unter einer Diktatur, japanisch oder deutsch, leben zu müssen, die mutwillig einen Eroberungskrieg begannen und jeden Oppositionellen verhafteten. Japan gelang es, Korea und weite Teile Chinas zu erobern, Deutschlands Nazi-Diktatur weite Teile Europas und Russlands zu unterwerfen und 6 Millionen Juden in den Konzentrationslagern oder durch Erschießungen in Russland zu ermorden. Es gab kaum deutschen Widerstand gegen die Verbrechen, das deutsche Volk, mit wenigen Ausnahmen, verschloss die Augen, schwieg, oder applaudierte sogar, und opponierte nicht, auch als Opposition noch möglich gewesen wäre. 

So war es auch, als Hitler und seine Generäle den Krieg weiter führten, obgleich nach der Tragödie von Stalingrad im Dezember 1943 nicht mehr zu zweifeln war, dass der Krieg verloren gehen werde. Wäre es den „Vertretern des anderen Deutschland“ am 20. Juli 1944 gelungen, das verbrecherische Hitler-System zu stürzen und für ein Kriegsende zu sorgen, dann wären die Vielzahl unserer Städte nicht zerstört worden, und hätten nicht weitere Millionen Soldaten, Zivilisten und Juden sterben müssen. Wir dürfen und wollen daher den 20. Juli 1944 und die Folgen einer fehlenden Opposition gegen ein inhumanes und unmoralisches System nie mehr vergessen ! UND wir wollen Hiroshima und Nagasaki nie vergessen !

Japan war zuletzt der engste Verbündete Hitler Deutschlands. Die anfänglichen Siege der deutschen Armee, ab 22. Juni 1941 auch in der Sowjet Union, verführten am 7.Dezember 1941 Japan zu einem massiven Bomberüberfall auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor auf Hawai. Damit wurden der Krieg zum Weltkrieg und die USA zur Supermacht. Adolf Hitler war so wahnsinnig, den USA den Krieg zu erklären. Die Berater und deutschen Generäle opponierten nicht! Sie glaubten an Hitlers Größe und manche an eine „deutsche Wunderwaffe“, denn sie wussten von den Arbeiten an der V1-Rakete.. Heute glauben viele Menschen an die Größe von Trump und Putin, aber auch der NATO, und an die „Wunderwaffe Atombombe“, mit der man von Kriegen abschrecken und auch Kriege gewinnen könne. Welch ein Irrtum !

Japans Größenwahn rührte von dem Bewusstsein, militärisch enorm stark zu sein. Sie glaubten, wie auch die Deutschen , mit militärischer Übermacht werde man siegen. So war es auch anfangs, dann aber wendete sich das Blatt, und Japan wurde, wie Deutschland, an den Fronten besiegt und ihr Land zerbombt.

Im Gegensatz zum Nazi-Regime beschloss die japanische Regierung nicht „ bis zum letzten Blutstropfen“ zu kämpfen, sondern zu kapitulieren, als ihre Armee und Wirtschaft schwer geschlagen waren. Die Kapitulation sollte Anfang August 1945 stattfinden, aber Präsident Truman wollte, dass vorher noch die Vernichtungskraft der beiden „Wunderwaffen“ getestet werden sollte, und dass damit Marschall Stalin beeindruckt werde. Das Schicksal traf Hiroshima am 6. August und Nagasaki am 9. August .

Beide Städte wurden total zerstört und 130.000 unschuldige Menschen in Hiroshima sowie 60.000 in Nagasaki wurden in Sekunden-bis Minutenschnelle verglüht, verbrannt, zertrümmert, verstrahlt, massiv verletzt, darunter auch fast alle Ärzte. In den folgenden Wochen und Monaten ging das Sterben bis zu 245.000 Opfern weiter (veröffentlichte Angaben). Diese Tragödien bleiben in Japan unvergessen. Die ganze Erde sollte das nie vergessen ! Einen Atomkrieg darf es nie wieder geben !

Wir „Internationalen Ärzte für die Verhütung eines Atomkriegs-IPPNW“, engagieren uns schon seit über 35 Jahren für die Beendigung der nuklearen Rüstung und für die Rettung der Menschheit und Natur. Als Ärzte und Wissenschaftler wissen wir, dass es im Atomkrieg keine wirksame ärztliche Hilfe gibt. Es gelang uns, den Regierungen und der weltweiten Bevölkerung klar zu machen, dass es sich bei den Atomwaffen nicht um eine Weiterentwicklung bisheriger Technologien handelt, sondern um atomare, gegen Völkerrecht und Genfer Konventionen verstoßende Massenvernichtungswaffen. Gorbatschow erkannte diese Wahrheit, später auch US-Präsident Reagan, sodass der damals drohende Atomkrieg verhindert wurde. Für unsere Bemühungen und Aufklärungsarbeit erhielten wir 1985 den Friedensnobelpreis.

Heute sind die Gefahren seit der Krimkrise und neuer Feindschaft zwischen Russland und der NATO wieder sehr groß. Die Armeen, auch die deutsche, werden massiv verstärkt, und die Atommächte investieren Milliarden Dollar, Rubel und andere Währungen in die Modernisierung ihrer Atomwaffenbestände.

Wir dürfen dazu nicht schweigen ! Deshalb ist es dringend notwendig, dass sich die Zivilgesellschaft, also auch wir hier in Frankfurt, sowie die „Bürgermeister für den Frieden“,deren Fahne über unseren Köpfen vor der Paulskirche weht, und die Gewerkschaften die Ächtung und das Verbot der Atomwaffen durch die Vereinten Nationen fordern !

Dazu sind wir auf dem Weg : Nach langen Bemühungen gelang es unserer IPPNW und der von uns gegründeten „Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN)“, angeführt von der Österreichischen Regierung, die weltweite Zivilgesellschaft für ein Verbot der Atomwaffen und der Drohung mit ihnen zu motivieren. In mehreren Ländern und bei der UNO in New York wurden internationale Konferenzen abgehalten, und am 7. Juli, also vor vier Wochen, stimmten von den 122 Teilnehmerstaaten 120 für einen Vertrag zur Ächtung und dem Verbot aller Atomwaffen. Alle Atomwaffenmächte und die NATO-Staaten, außer Holland, hatten die Konferenz boykottiert, zu unserer Empörung auch Deutschland.

Was beinhaltet dieser „Treaty to Ban Nuclear Weapons“ der UNO : Die Unterzeichner verpflichten sich, „auf keinen Fall Atomwaffen oder andere nukleare explosive Stoffe zu entwickeln, zu testen, zu produzieren, herzustellen oder von anderer Seite zu erwerben und Atomwaffen zu besitzen oder aufzubewahren“. Damit sind auch Androhung und Einsatz von Atomwaffen völkerrechtlich verboten, sobald mehr als 50 Nationen den Vertrag ratifiziert haben.

Gegen diesen wichtigen Vertrag argumentieren die Atomwaffenstaaten und die NATO-Regierungen sowie eine kleine Minderheit ihrer Bevölkerung und der Medien. Sie vertreten weiterhin den Standpunkt, Atomwaffen müssten zu ihrer Sicherheit in ihrem Besitz bleiben, um sie im Bedarfsfall einsetzen und mit dem Einsatz drohen zu können. Sie verstärken sogar die Zerstörungskraft der Sprengköpfe, und vermehren deren Zahl auf den Raketen. Präsident Trump prahlte vor wenigen Tagen, dass „ solange es Atomwaffen gibt, die USA immer die stärksten haben werde“, und er fügte beim Stapellauf des weltgrößten US Flugzeugträgers, auf dem natürlich auch die Atombomben tragenden Flugzeuge stehen, hinzu „wir werden unter meiner Regierung immer mächtiger werden, sodass unsere Feinde vor uns zittern werden“, und am 27. Juli sagte er auf Twitter :“ Unser Militär muss sich auf einen entschiedenen und überwältigenden Sieg konzentrieren…..“ (FAZ 28.7.2017). Ähnlich brutal sprachen Hitler und Goebbels vor 75 Jahren, und wir wissen, was die Folgen waren.

Meine Damen und Herren, unsere politischen Parteien befinden sich im Wahlkampf. Wir müssen sie fragen, wie sie zur Atomwaffenrüstung stehen und zu den 20 US-Atombomben auf dem deutschen Fliegerhorst in Büchel. Wir müssen ihnen sagen, dass wir nicht nur die Atomwaffen verachten, sondern auch diejenigen Menschen, die weiterhin mit Atombomben drohen und abschrecken wollen ! Die Menschheit blieb in den 1980 iger Jahren, auf dem Höhepunkt der Ost-West Feindschaft, nicht durch die 50.000 Atomwaffen der USA und der Sowjetunion vor einem Atomkrieg verschont, sondern nach dem Urteil bekannter US-Militärs, wie General Dwight D. Eisenhower und General Omar Bradley, ehemals Vorsitzender der „Joint Chiefs of Staff“ und der Atomwaffenstrategie der US-Army, war es nur dem Glück zu verdanken, dass die Welt nicht in einen Atomkrieg stürzte. Bradley sagte „oder es war „Gottes Gnade“. Nach dem Ende des Krieges sprach General Bradley auf vielen internationalen Veranstaltungen, auch in Deutschland, auch in Frankfurt, gegen die „nuclear deterrence“, also die Theorie von der Nuklearen Abschreckung. Er war zum entschiedenen Gegner der atomaren Rüstung geworden.

Seit einigen Wochen eskaliert die Feindschaft zwischen Nord Korea und den USA. Kin Yong Un lässt eine Rakete nach der anderen testen, nun auch Interkontinental Raketen, die „alle Ziele Amerikas“ erreichen können (FAZ), darunter auch Hawai!. Dort ist man in großer Sorge, und die Bevölkerung wird vor Raketenangriffen gewarnt und zum Üben von Schutzmaßnahmen für den Fall eines Atomraketen Angriffs aufgefordert! Da Hawai 1941 das Opfer des japanischen Vernichtungsschlages auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor war, fühlt sich Donald Trump besonders bedroht und herausgefordert. Er sagte am 27. Juli : “Amerika muss notfalls militärisch vorgehen“ (FAZ). Papst Franziskus hatte recht, als er sagte :“ Die Welt ist im Krieg, weil sie den Frieden verloren hat.“

Wir müssen zusammen fassen: :Wir fordern die Bundeskanzlerin und die Regierung auf, sich intensiver als bisher für Friedensdiplomatie und für den Abbau der weltweiten Atomwaffen zu engagieren. Atomwaffen nützen nicht zur Abschreckung. Seit 1945 wüten jedes Jahr 20-50 Kriege, an denen z.T. sogar Atomwaffenmächte unterstützend beteiligt sind. Auch in Europa wütete der Jugoslawienkrieg vier Jahre lang. Atomwaffen nützen nicht, sondern sie gefährden die Welt. Deshalb fordern wir auch die Entfernung der 20 US Atombomben auf dem Fliegerhorst in Büchel.

Wer diese Forderungen nicht unterstützt, der ist am 24. September eigentlich nicht wählbar !

Heute am Jahrestag von Hiroshima und Nagasaki und in Erinnerung an den 20 Juli 1944,                 fordern wir von der Bundesregierung und allen politischen Parteien : Deutschland soll den „Vertrag der Vereinten Nationen zur Ächtung und Verbot der Atomwaffen“, unterzeichnen !

Das wäre ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer hoffentlich einmal erreichten Welt frei von Atomwaffen.