ABG setzt sechsköpfige Familie vor die Tür: Zwangsräumung mitten im Corona-Winter

erstellt von Eine Stadt für Alle — zuletzt geändert 2021-01-28T20:31:04+02:00
Die Initiative Eine Stadt für Alle! fordert die sofortige Aussetzung von Zwangsräumungen bei der ABG

Das Gebot zu Hause zu bleiben war noch nie so relevant wie in diesen Tagen. Noch zu Beginn der Pandemie sagte ABG-Geschäftsführer Frank Junker: „Von Räumungsklagen sehen wir in der jetzigen Situation aber in der Regel ab“. Einige Monate sind seither vergangen und die ABG hat ihr Versprechen längst vergessen. Mitten im Corona-Winter will sie eine sechsköpfige Familie aus ihrer Wohnung räumen lassen.

Herr T. wohnt seit fast zehn Jahren in einer Sozialwohnung im Nordend. Der 55-Jährige hat eine 90-prozentige Schwerbehinderung und ist deswegen in Frührente. Am 11. Februar will die ABG Herrn T. mit seiner sechsköpfigen Familie aus der Wohnung räumen lassen. Doch die Familie ist dringend auf sozial geförderten Wohnraum angewiesen. Angesichts der Einkommensverhältnisse, der Familiengröße sowie der aussichtslosen Situation auf dem Wohnungsmarkt ist es unmöglich, eine bezahlbare Wohnung in Innenstadtnähe für die Familie zu finden. Herr T. hat einen Räumungsschutzantrag eingereicht und hofft auf eine positive Entscheidung: „Ich habe jahrelang ordentlich meine Miete gezahlt. Ich möchte meinen Kindern eine gute Zukunft bieten. Sie leben nun in Angst, es belastet sie psychisch sehr.“

Obdachlosigkeit oder die Unterbringung in einer Notunterkunft wird jetzt für die sechsköpfige Familie in wenigen Tagen zur real erfahrbaren Bedrohung. Eine gute schulische und persönliche Entwicklung der Kinder im Alter von 9, 11, 13 und 15 Jahren ist so nicht möglich. Dem Gesundheitszustand des Vaters droht eine massive Verschlechterung. „Wir sind verzweifelt und wollen bleiben. Eine Notunterkunft ist keine Option“, sagt Herr T.

Etwa 100 Haushalte im Jahr werden von der ABG zwangsgeräumt

Die ABG Holding, selbst ernannter „Garant für bezahlbare Mietwohnungen“, hat als städtische Wohnungsbaugesellschaft laut Gesellschaftervertrag den Auftrag für eine „sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der breiten Schichten der Bevölkerung“. Doch ähnlich wie private Wohnungskonzerne erwirtschaftet auch die ABG jedes Jahr Milliardengewinne, setzt Mieterhöhungen durch und möchte jetzt Menschen, die keine Chance auf eine leistbare Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt haben, zwangsräumen. Durchschnittlich räumte die ABG Holding im Zeitraum von 2011 bis 2018 jährlich etwa 100 Haushalte aus ihren Wohnungen. Diese harte Vorgehensweise führt die ABG auch in diesem Jahr mitten in der Corona-Pandemie fort und setzt damit Menschen der Gefahr eines Lebens ohne Dach über dem Kopf oder in Massenunterkünften ohne Schutz vor dem Virus aus.

Bereits jetzt leben tausende von wohnungslosen und geflüchteten Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen auf der Straße oder in Massenunterkünften. „Einer Familie, die zurzeit noch in stabilen Wohnverhältnissen lebt, mit Zwangsräumung zu drohen, ist gnadenlos und menschenunwürdig. Die Notunterkünfte in Frankfurt sind in einem katastrophalen Zustand und oft überbelegt. Wegen des Mangels an Sozialwohnungen ist es fast unmöglich, wieder aus dem Notfall-System heraus zu kommen“, sagt Phuong Thanh Tran von der Initiative Eine-Stadt für Alle!

Zwangsräumungen bedeuten nicht nur den Verlust der Wohnung, sondern zugleich den Entzug der Lebensgrundlage. Oft führen sie zu Obdachlosigkeit und gefährden damit Leib und Seele. Ein sicheres Dach über dem Kopf ist in Zeiten des Lockdowns, aber auch unabhängig von der Pandemie, unabdingbar. Zwangsräumungen sind mit dem Recht auf Wohnen für Alle unvereinbar. Wir fordern den sofortigen Stopp von Zwangsräumungen bei der ABG – in Zeiten von Corona und dauerhaft darüber hinaus.

Initiative Eine-Stadt für Alle!, Pressemitteilung, 28. Januar 2021