24. März 1945 - Todesmarsch der KZ-Häftlinge aus den Frankfurter Adlerwerken

erstellt von LAGG e.V. — zuletzt geändert 2020-03-25T19:49:09+01:00
Virtuelle Kundgebung online https://kz-adlerwerke.de/2020/post/virtuelle-mahnwache/ Die Interviews mit Andrzej Branecki, dem im Februar gestorbenen ehemaligen Häftling des KZs; mit Lothar Reininger, dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden der Adlerwerke und die Schülerfilme, die Biografien von Überlebenden in eine filmische Handlung übertragen sind hier zu finden: https://kz-adlerwerke.de/2020/post/filmvorf%C3%BChrung-im-naxos-kino/ Ausführliche Information zu dem KZ: https://kz-adlerwerke.de

„Sie haben uns sehr schnell getrieben: Raus, raus, schnell, schnell, auf geht’s! Einige der Häftlinge versuchten, sich unter den Pritschen zu verstecken – Schüsse fielen.“ So beschreibt Ryszard Olek, ehemaliger Häftling im Konzentrationslager der Frankfurter Adlerwerke, den Befehl zum Appell und zum Abmarsch in der Nacht des 24. März 1945. An diesem Tag befahl NSDAP-Gauleiter Sprenger die „Evakuierung“ des mitten in der Stadt gelegenen KZs.

SS-Leute trieben 350 Häftlinge quer durch Frankfurt über Hanau, Schlüchtern und Fulda bis nach Hünfeld, von wo sie in Güterwagons gepfercht ins KZ Buchenwald transportiert wurden. Diesen 120 Kilometer langen Todesmarsch überlebten nur etwa 280 von ihnen. Von Buchenwald schickte sie die SS ins KZ Dachau, wo vermutlich nur 40 Gefangene lebend ankamen.

Wenige Tage vorher „entledigte“ man sich der marschunfähigen Kranken. Über 500 Menschen – Kranke und Sterbende – hatte man zu je 60 Mann in einen Güterwaggon gepfercht und diesen verplombt. Drei Tage und Nächte stand der Zug auf den Fabrikgleisen, bevor er am 16. März 1945 das Werksgelände verließ. Keine Verpflegung, kein Wasser, keine Hilfe für die Verletzten – erst sieben Tage, nachdem der Zug verplombt worden war, am 23.3.45, erreichte der Transport das KZ Bergen-Belsen.

„In jedem Waggon lagen Berge von Leichen; nur die Mitte war frei, wenn man den Kot nicht rechnet”; erinnert sich Jozef Marcinkowski, ein ehemaliger Häftling, an die Ankunft des Transports im KZ Bergen-Belsen.

Die Befreiung Frankfurts am 28.3.1945 kam für die KZ-Häftlinge in den Adlerwerken nur wenige Tage zu spät.

Wenig später endete der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg, der der deutschen Bourgeoisie und ihrem Regime die rücksichtslose Vernutzung von Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlingen ebenso ermöglicht hatte wie das Menschheitsverbrechen des Holocaust.

Nie wieder!

Die Erinnerung an die Opfer des NS-Faschismus wach zu halten, ist heute wichtiger denn je: Der NS-Faschismus und der Holocaust sind eben kein „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte, wie AfD-Gauland öffentlich kundtut.

Die 1600 Häftlinge – meist Männer aus dem Warschauer Aufstand – die gnadenlos für die Rüstungsproduktion ausgepresst wurden, deren Tod billigend in Kauf genommen wurde, mahnen, uns an sie zu erinnern als Menschen, denen im KZ in den Adlerwerken jede Menschlichkeit verwehrt wurde – von der Geschäftsführung und den Aktionären der Adlerwerke, der SS, den deutschen Vorarbeitern und auch von Bewohner*innen des Gallus, die geflohene Häftlinge an die SS verraten hatten.

Die rassistische Vorstellung von „wertvollen“ und „unwerten“ Menschen greift wieder um sich und findet auch in physischer Gewalt Ausdruck: Mindestens 170 Menschen sind seit 1990 durch rechte Gewalttaten ums Leben gekommen.

Von den rassistischen Pogromen Anfang der 1990er Jahre über die Morde des NSU bis zum Mord an Walter Lübcke und den antisemitischen Terrorangriffen in Halle und den Morden in Hanau zieht sich eine neofaschistische Blutspur durch die Republik.

Die Pogrome der 1990er Jahre wurden von einer großen Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP instrumentalisiert, um die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl zu legitimieren. Der NSU konnte nur so lange morden, so lange ihn Verfassungsschutz und Polizei morden ließen. Im für gezielte Tötungen geschaffenen Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, in Polizeibehörden und Reservistenkameradschaften hat sich unter dem Dach des Vereins Uniter e.V. längst ein terroristisches Netzwerk etabliert, dessen Angehörige sich intensiv auf den „Tag X“ vorbereiten – den Tag, an dem sie nach eigenem Bekunden die Leichen von „Flüchtlingsfreunden“ und anderen politischen Gegnern mit Ätzkalk bedecken wollen.

Die weltweite ökologische und soziale Krise ist eine Krise des Kapitals, dessen Reproduktion sich nur noch durch die immer drastischere Ausbeutung von Mensch und Natur aufrechterhalten lässt. Ausdruck dieser Krise sind zahllose Kriege und Bürgerkriege rund um den Globus, die nicht zuletzt von deutschen Truppen und mit deutschen Waffen geführt werden. Ausdruck der Krise ist eine verschärfte Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Zentren USA, EU,China und Russland, die eine bis dato unbekannte Rüstungsspirale in Gang gesetzt hat. Selbst ein großer Krieg, ein Weltkrieg, ist heute wieder denkbar.

Beim politischen Personal der nationalen Bourgeoisien haben autoritäre „Krisenlösungen“ weltweit enorm an Attraktivität gewonnen. Für autoritäre „Krisenlösungen“ steht hierzulande insbesondere die AfD, die seit ihrer Gründung nicht nur Faschisten jeglicher Couleur als Sammelbecken dient, sondern auch tief in der „bürgerlichen Mitte“ verwurzelt ist. Die „bürgerliche Mitte“ wiederum zeichnet verantwortlich für Militarisierung und Kriegsoperationen in aller Welt, für den fortgesetzten Abbau von Grundrechten, die drastische Verschärfung der Polizeigesetze, die permanente Verschärfung des Asylrechts und für ein mörderisches Abschieberegime. Politiker*innen und Medien betreiben gezielte Dehumanisierung: In der führenden ‚liberalen‘ Wochenzeitung „Die Zeit“ diskutierten die Autor*innen erst unlängst allen Ernstes, ob man Geflüchtete nicht einfach im Mittelmeer ertrinken lassen sollte.

Die Dehumanisierung resultiert aus dem Zwang zur Kapitalakkumulation, der Menschen auf ihre Verwertbarkeit reduziert. Sie werden erst zu „Humankapital“, dann zu Objekten und schließlich zum Rohstoff, der rücksichtslos vernutzt werden kann – so wie die Häftlinge des KZs Adlerwerke.

Rückfragen zur virtuellen Kundgebung:

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