DGB gegen Ballungsraum-Fernsehen
Die Landesregierung will die hessischen Rundfunkgesetze ändern ...
Anfang Juli hat die Landesregierung zwei Novellen zum Hessischen Privatrundfunkgesetz und zum Gesetz über den Hessischen Rundfunk beschlossen, deren politische Auswirkungen erheblich sein werden. Beabsichtigt ist u.a., die Zusammensetzung des Rundfunkrates zu ändern. Dieser wählt z.B. den Intendanten des HR, beschließt den Haushalt und hat auch mittelbaren Einfluss auf die Programmgestaltung. Der Rat und die Versammlung der Landesmedienanstalt werden erweitert, und zwar u.a. um Vertreter der IHK, der Handwerkskammern, des Bauernverbandes, des Verbandes freier Berufe, des Deutschen Beamtenbundes und des Bundes der Vertriebenen. In welche Richtung die Landesregierung hier Einfluss nehmen will, ist offensichtlich. Geplant ist des Weiteren, dass der HR zukünftig nur noch 25% des Anteils an der Rundfunkgebühr erhalten soll, während die Landesanstalt für den privaten Rundfunk 75% bekommen soll. Schließlich soll es in Hessen ein privates Ballungsraumfernsehen geben. Dazu dokumentieren wir die kritische Stellunnahme der Landesbezirke des DGB, der GEW und der IG Medien: ola
Publizistische Vielfalt
Es lässt sich aus Gewerkschaftssicht nicht erkennen, wo und in welchem Umfang mit der Einführung des Ballungsraum-Fernsehens ein zusätzlicher oder ergänzender publizistischer Nutzen entstehen würde. Die Erhöhung der publizistischen Vielfalt wäre umgekehrt nur dann gegeben, wenn in nennenswertem Umfang tatsächlich eigene Lokalberichterstattung angeboten würde, ohne dass eines der bisherigen Angebote aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt werden müsste ...
Verschärfung des Wettbewerbs in Hessen
Ein Ballungsraum-Sender würde durch den verschärften publizistischen Wettbewerb den Hessischen Rundfunk zwingen, seine nicht erweiterbaren Ressourcen stärker als bisher auf das Rhein-Main-Gebiet zu konzentrieren. Eine Vernachlässigung Mittel- und Nordhessens wäre in den Fernseh- und Hörfunkprogrammen des hr unvermeidbar. Das ohnehin wegen der Ereignislage gegebene Süd-Nord-Gefälle in der Dichte der Berichterstattung wäre erheblich verschärft. Dieses Problem ist in Hessen größer als in anderen Bundesländern, weil die Bevölkerung des Rhein-Main-Gebiets ein Drittel bis die Hälfte des ganzen Landes ausmacnt und deshalb eine erhebliche Schieflage entstünde, wie sie beispielsweise zwischen München und ganz Bayern nicht vorhanden ist ...
Wirtschaftlichkeit, Werbefinanzierung
Die Tatsache, dass sich die existierenden Ballungsraum-Sender in München, Berlin und Hamburg auch nach mehrjähriger Anlaufphase Zeitungsberichten zufolge in der Verlustzone bewegen, lässt erhebliche Zweifel daran entstehen, ob ein solcher Sender im Rhein-Main-Gebiet wirtschaftlich überleben könnte. Auch die zweifellos im kommerziellen Sinn professionell hergestellten Regionalfenster von RTL und SAT 1 rechnen sich offenbar trotz des sehr erfolgreichen Mantelprogramms nicht ...
Konzentrationsprozess
Ballungsraum-Fernsehen muss sich aus dem lokalen Werbemarkt finanzieren, würde also in direkten Wettbewerb um das Anzeigenvolumen der Tageszeitungen des Verbreitungsgebietes treten. Die Einnahmen der Tageszeitungen aus Werbung würden zurückgehen, da keine zusätzlichen Werbeaufwendungen der Werbetreibenden zu erwarten sind. die Existenz einzelner Zeitungen, zumindest deren Eigenständigkeit wäre gefährdet ...
Die drohenden Einfalt (der Printmedien) ließe sich auch nicht durch die Beteiligung der hessischen Zeitungsverleger an einem privaten regionalen Fernsehen verhindern. Im Gegenteil: Deren Machtzuwachs im Falle eines finanziellen Engagements würde eine bedrohliche Monopolisierung von (Privat)Zeitung, Privatradio (FFH) und Privat-Fernsehen bedeuten ...
Auswirkungen auf die Arbeitsplätze
Die erheblichen Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit von Ballungsraum-Fernsehen lassen die Zukunft von möglicherweise anfangs entstehenden Arbeitsplätzen sehr unsicher erscheinen. Zu berücksichtigen ist auch, dass wegen des enormen Kostendrucks zu großen Teilen nicht abgesicherte freie Beschäftigungsverhältnisse Basis der Arbeit eines Ballungsraum-Senders sein dürften. Außerdem ist der drohende Verlust von Arbeitsplätzen etwa beim RTL Hessen-Fenster sowie bei den betroffenen Zeitungen gegenzurechnen.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Eine Belebung der hessischen Medienwirtschaft könnte sich nur ergeben, wenn der Ballungsraumsender zu Auftragsvergaben in nennenswertem Umfang an hessische Produktionsfirmen in der Lage wäre. Dies setzt aber eine entsprechende wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzepts voraus. Die bisherigen Erfahrungen, z. B. mit dem Hamburger Ballungsraum-Sender, der sein Rahmenprogramm von Super-RTL bezieht oder auch das vom Kirch-Konzern belieferte Berliner TV.B-Ballungsraum-Fernsehen lassen aber eher erwarten, dass die internationalen Sender hier eine Sekundär-
verwertungschance ihres anderswo produzierten Materials sehen und nur reduzierte Produktionen im Land und in der Region vornehmen ...
DGB, GEW, IG Medien